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kurzweil-ICH: Interview mit Fotograf Markus Schwarze

Premiere auf LangweileDich.net! Ich versuche mal Neuland zu betreten. In der Rubrik kurzweil-ICH (Die Red-Aktion) möchte ich in unregelmäßiger Regelmäßigkeit kreative Personen (in Interviews oder Portraits, etc.) vorstellen, die uns dabei helfen, die Langeweile zu vertreiben. Kurzweiler halt.

kurzweil-ICH: Interview mit Fotograf Markus Schwarze markus_schwarze_self

Den Anfang macht freundlicherweise Hochzeits- und Portrait-Fotograf Markus Schwarze (Foto oben). Der befindet sich momentan mitten in der Erstellung einer Fotoreihe in der Männer im Alter von 1 bis 100 fotografiert werden (hatte ich bereits in Videoform mit 100 Menschen, die auf eine Trommel schlagen). In einem kurzen Interview erklärt er, wie er zu seiner ersten Kamera kam und warum er gerne Farbbilder von Helmut Schmidt schießen würde.

Nach dem Sprung einige seiner Arbeiten in Verbindung mit dem Interview.

„Noch ein Fotograf?“. Erst recht mit dem Internet und der Möglichkeit für Jedermann, seine sensationellen Handy-Schnappschüsse der Welt zu präsentieren, erscheint uns der Beruf des Fotografen allgegenwärtig. Durch technische Entwicklungen können auch Amateure beachtliche Aufnahmen schießen. Was macht den professionellen Fotografen der Moderne oder insbesondere dich und deine Arbeiten aus?

Ich kann diese Frage gar nicht allgemein beantworten, sondern muss es viel mehr auf mich beziehen. Der Grund ist, ich habe den Beruf des Fotografen nicht gelernt und kenne die einheitlich gelernte Definition, oder ‚was macht ein Fotograf‘, nicht. Für mich ist die Fotografie eine Spielwiese, auf der ich mich kreativ, aber auch konzeptionell austoben kann. Ich erlaube mir zu sagen, dass die Beständigkeit eines Fotografen höher ist, als bei denjenigen, die mal ein oder zwei gute Bilder (Schnappschüsse) hervorbringen. Ein Schnappschuss ist vom Motiv her, nicht von der Umsetzung, eher ein Zufallsprodukt und ist keiner übergeordneten Idee zugeordnet. Das ist zum Beispiel ein Teil der sich zu meiner Arbeit unterscheidet. Viele meine Bilder (der größte Teil jedenfalls) sind ein Teil einer Projektbezogenen Idee. Anders kann man aber glaube ich auch sagen, leben meine Bilder von der Direktheit, der Einfachheit und der Interaktion mit den fotografierten Personen.

Keine knallgrüne Fuji-Einwegkamera von Omi zum Neunten, aber dennoch funktional – dein Start in die Welt der Fotografie war wenig künstlerisch. Für die Geburt deiner Tochter brauchtest du eine Kamera und hast dich erst einmal für ein Kompaktgerät entschieden. Wann und wie bist du auf die Idee gekommen, ein vernünftiges Gerät anzuschaffen und den nächsten Schritt in Richtung Hobby und Beruf zu machen?

Die Geburt meiner ersten Tochter war das Schlüsselerlebnis, denn als Familienvater möchte man natürlich jeden Moment, ob nun wichtig oder nicht, als Foto festhalten. Schon nach wenigen Tagen/Wochen, beim durchstöbern der Bilder auf dem heimischen Computer, waren die Worte meiner Frau (während wir und die Diashow anschauten): „weiter… weiter.. weiter… weiter…“. Nach vielen hundert Bildern waren wenig „Ohhhh“ oder „Hhuuuuii’s“ zu hören. Auch ich hatte mir die Bilder anders vorgestellt. In den nächsten Tagen untersuchte ich die gemachten Bilder genau und schrieb mir auf, was an den Motiven nicht stimmte. Ich versuchte die gewonnen Erkenntnisse schnell umzusetzen und wurde nicht enttäuscht, die gemachten Bilder – es waren viel viel weniger als zuvor – wurden immer ‚besser‘. Schnell kam ich an die Grenzen einer Kompaktkamera und entschloss, wieder mit der alten (Papas Canon AT-1 und 50mm f/1.4) Spiegelreflex zu fotografieren. Ein toller Nebeneffekt war, dass alle gemachten Bilder auch entwickelt werden mussten, sodass eine Sicherung der gemachten Bilder gleich mitpassierte. Ich kann viele Historiker verstehen, die vom „dunklen Jahrhundert“ sprechen, wenn man bedenkt wie viele Familien Ihre ganzen privaten Bilder auf dem Computer speichern und diese nicht auf Papier entwickeln. Ein Computervirus, ein mechanischer Defekt kann schnell alle Bilder löschen bzw. zerstören.

Nun aber wieder zur Frage: Nachdem ich dann lange mit der alten analogen Kamera fotografiert hatte, wollte ich in die Welt der digitalen Spiegelreflex einsteigen. Es sollte ein ebenbürtiges Model sein, also entschloss ich mich die Canon EOS 5D + 50mm f/1.8 zu kaufen. Eine Kamera die einen 35mm Sensor besitzt, also die gleiche Größe wie Kb-Negative. Das Feedback von Freunden, Bekannten und Leuten, die hörten dass ich „so tolle Kinderbilder“ machen würde, war sehr groß. Zu dieser Zeit war mein fotografisches Augenmerk auf der Dokumentation der Familie und das Fotografieren von kleinen Kindern. Ein befreundetes Paar fragte mich, ob ich nicht die Hochzeit fotografieren möchte. Ich brauchte in der Tat einige Tage Gedenkzeit, denn eine Hochzeit ist ein sehr wichtiges, einmaliges Ereignis und nach Informationen, die ich damals recherchierte auch „die hohe Kunst der Fotografie“. Nach einem langen, klärenden Gespräch mit dem Paar sagte ich zu und bin froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Nach dieser einen Hochzeit, kamen viele weitere. Auch der Anspruch an mich und meine Art der Fotografie stieg an, was dazu führte, dass ich meine Ausrüstung anpassen musste. So kam im Laufe der Jahre einiges zusammen, was aber perfekt auf meine Arbeitsweise abgestimmt ist.

Menschen, Hochzeiten, Architektur, Landschaften und Werbung – deine fotografischen Ausrichtungen sind vielfältig. In welcher Schublade befindest du dich am liebsten? Und schon fast wichtiger: Welche Arbeiten und Aufträge magst du so gar nicht?

Menschen. Für mich ist der Mensch der Mittelpunkt. Wir leben in einer Gesellschaft in der der einzelne Mensch schon fast untergeht und ich versuche diesen einzelnen Menschen in meinen Bildern wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Menschen, die ich fotografiere, Spaß haben, sich wohl fühlen und sich auf die Arbeit mit mir freuen. Das wäre für mich auch ein „KO-Kriterium“, einen Auftrag (wie zum Beispiel eine Hochzeit) abzulehnen.

Auch wenn deine Kategorien auf dem Papier extrem unterschiedlich daher kommen eint sie doch eine gewisse Kühle und Klarheit. Der Mensch oder das Motiv steht im Mittelpunkt und wird selten durch reißerische Effekte, Perspektiven oder besondere Farbgebung übertönt. Auch die Fashion- und Werbe-Motive besitzen einen überaus großen Anteil an Portraithaftigkeit. Welchen Stellenwert haben menschliche Gesichter in deiner Arbeit?

Wie eben schon geschrieben, bringt mir die Arbeit mit Menschen sehr viel Spaß. Denn jeder Mensch hat seine ganz besonderen Eigenschaften die es immer wieder zu einer Herausforderung machen, die Person so zu fotografieren wie ich es gerne möchte und die Person sich sieht.

Dass Gesicht nicht gleich Gesicht ist, zeigst du in deinen Sonderprojekten. 2010 hast du 365 verschiedene Personen fotografiert. Dieses Jahr sammelst du „100 Männer“, die alle ein unterschiedliches Alter vorweisen können. Selbiges Projekt („101„) hat das dänische Fotografenduo Sofia Wraber und Nanna Kreutzmann bereits fertig gestellt, mit Männern UND Frauen. Vom Einjährigen zum Jopi Heesters: Eine Anlehnung an eine Arbeit von Kollegen? Und weshalb ist so eine deutsche Adaption für dich interessant?

Ich habe mir zum Ende letzten Jahres Gedanken über ein neues Projekt gemacht. Dabei waren wichtige Eckdaten: Menschen, Portrait, Schwarz/weiß, Kopf und ganz wichtig, noch nicht von jemand anderen gemacht. Nachdem ich dann Mitte November die grobe Idee meines „100 Männer“ fertig hatte befragte ich diverseste Suchmaschinen und zwei Fotobuchhändler ob es so etwas schon einmal gab. Ich war der Überzeugung ein neues Projekt zu starten, welches vor mir noch nie ein Mensch gemacht und publiziert hatte. Noch in der ersten Woche nach Projektstart bekam ich über Flickr eine Nachricht mit dem Verweis auf das Projekt der beiden dänischen Fotografinen. Mich traf der Schlag. Nun waren die beiden mir schon einen großen Schritt voraus, aber ich sah trotzdem Unterschiede zu diesen beiden Projekten das ich nicht aufhörte. Für mich ist es wichtig, die Leute da zu fotografieren wo ich sie treffe. Ob das nun auf der Straße, in einem Cafe oder in einem Kaufhaus ist, spielt dabei keine Rolle. Es ist mir wichtig mit den Bilder zu zeigen, wie unterschiedlich der Mensch (reduziert auf sein Gesicht) ist, das Ganze wird aber zusammengehalten durch die 100 Jahre.

Hast du bereits weitere Projekte im Kopf?
Ja :-)
Und auch dieses mal wird es um Menschen gehen.

Wunderbar finde ich deine Kategorie „Schöne Bilder“, in der sich laut Beschreibung passender Weise „einfach nur schöne Bilder“ befinden. Was macht für dich ein schönes Bild aus?

Oh, wie ich gerade gesehen habe sind da recht wenige Bilder zu sehen – umso mehr bei Flickr. Ein schönes Bild kann so alles sein. Es ist meistens ein Schnappschuss, der eine Emotionale Bindung zu mir hat.

Gibt es ein Motiv, einen Menschen, einen Ort oder eine Veranstaltung, die du unbedingt einmal fotografieren möchtest? Bspw. eine royale Traumhochzeit, den Moment einer Dortmunder Fußballmeisterschaft oder Scarlett Johansson beim Wachwerden…

Oh ja. Wenn ich an Traumhochzeiten denke, wäre es glaube ich ein riesen Spaß eine Hochzeitsreportage von William und Kate zu fotografieren mit Bildern, die man nicht erwarten würde. Ein wirklich tief sitzender Traum wäre ein Farbportrait von Helmut Schmidt. Es gibt viele Bilder von Helmut Schmidt, jedoch strahlen alle Bilder eine gewisse Kälte aus. Das würde ich gerne einmal anders machen.

Interessanter Weise bist du auf LangweileDich.net eher aufmerksam geworden als LangweileDich.net auf dich. Wie kam es denn bitte dazu?

Ich bin ein großer Freund von Seiten, die sich mit lustigen und schönen Dingen im WWW beschäftigen. Dabei macht LangweileDich.net eine große, für mich sehr schöne, Ausnahme. Es zeigt bzw. verlinkt auf Fotografen, Motiondesigner, und andere Kreative bzw. Künstler. Ich freue mich immer wenn ein neuer Fotograf vorgestellt wird, dann schaue ich mir in Ruhe das Portfolio an. Aber warum LangweileDich.net nicht auf mich aufmerksam geworden ist, kann ich auch nicht sagen :-)

Die abschließende Frage liegt auf der Hand: Was machst du eigentlich, wenn dir langweilig ist?

Das kommt zum Glück sehr selten vor, denn ich werde ja auch noch als Familienvater gebraucht. Sollte es aber wirklich mal eine Zeit geben, Frau beim Sport, Kinder im Bett, alle arbeiten erledigt, dann lese ich viel in Foren bzw. auf den unterschiedlichsten Blogs.

Danke für das Interview.

Danke Dir.

Ich bin auf euer Feedback gespannt! Mehr solcher Interviews mit kreativen Köpfen oder könnt ihr gar nicht so viel lesen?

5 Kommentare

  1. Anna says
  2. Benny says

    Davon kann ich definitiv mehr vertragen, sehr schön!

  3. Maik says

    Freut mich, dass es Anklang findet. Werde dann mal schauen, dass ich so etwas regelmäßig hinbekomme.

  4. seitvertreib says

    Sehr interessant, für mich war es auch nicht zuviel Text.
    Da können gerne viele Folgen von kommen!
    :-)

  5. Ich find’s klasse. Hab ja auch selber mal einen Artikel über ihn und seine Porträtserien (365 & 100) geschrieben:

    http://leichtscharf.de/fotografie/portraits-von-markus-schwarze-365-100/

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