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Über verschwimmende Feldergrenzen

Sind Blogger Journalisten?

Sind Blogger Journalisten? Blogger-Journalisten

Konzeptwoche: Urlaub. Ich bin diese Woche zum Städtetrip in Barcelona und habe mir Blogverbot auferlegt. Dafür gibt es total konzeptmäßig jeden Tag ein selbst erstelltes Highlight statt X Reblog-Beiträge.

Bei meinem Beitrag „Was Blogger den ganzen Tag machen“ kam eine interessante Rückmeldung, die frei zitiert so etwas sagte wie:

Das ist bei mir als Redakteurin ähnlich.

Überraschung! Am Ende ist zumindest mein Blog tatsächlich auch redaktionell. Ich recherchiere Inhalte, erschaffe Inhalte und bereite Inhalte auf. Zum Beispiel recherchiere ich, dass „Redakteur“ aus dem Lateinischen kommt („redigere“) und so etwas wie „zurückführen; in Ordnung bringen“ bedeutet – und nicht geschützt ist. Genau so wenig wie die Berufsbezeichnung des Journalisten.


Jeder, der Inhalte publiziert, kann sich das im Grunde genommen nennen. Also auch Blogger. Da mein Haupteinkommen aus dem Bloggen stammt, bin ich offiziell „freier Journalist“. Das mag dann vor allem meine bessere Hälfte nicht, die sich gerade im Rahmen eines Volontariats eine richtige Ausbildung zum richtigen Redakteursdasein verschafft.

Reichweite macht keinen Journalismus

Dabei soll es auch gar nicht um die Bezeichnung gehen – das ist ehrlich gesagt so egal wie wenn im Supermarkt auf einer Birne aus Versehen ein Apfel-Sticker klebt. Es bleibt eine Birne. Aber wie sieht es dann eigentlich inhaltlich aus? Also das, was letztlich hinten raus kommt? Wörter, Bilder, Videos. Da arbeiten klassische Medien wie Blogger. Kein Wunder, viele Online-Redaktionen arbeiten gar auf den gleichen oder zumindest ähnlichen Content-Management-Systemen (beispielsweise Wordpress). Das schaut dann auch am Ende recht gleich aus. Selbst wenn wir den großen „Spiegel“ nehmen, sehen wir bei Beiträgen einen Kopfbereich, einen Content-Bereich und eine Sidebar. Revolutionär anders ist das nicht als beim Pferde-Blog von der zwölfjährigen Wendy. Okay, ihrer mag vermutlich hübscher ausschauen und weniger mit Werbung vollgekleistert sein.

Mittlerweile sind die technischen Mittel eben frei zugänglich. Jeder kann sein eigenes Spiegel Online aufziehen. So betreibt Spiegel Online mit seinen 10,77 Mio. Unique Usern im Monat (Quelle: AGOF digital facts 2015-06) genauso Journalismus wie Wendy mit ihren dreien (Mutter, Tante und beste Freundin; Quelle: Abendessen). Ja, die Reichweite ist anders, aber am Ende hat sie ihre Zielgruppe, ihre Stammleser und vermutlich auch eine höhere Antwortrate auf Leser-Kommentare. Und so werden mittlerweile beide Parteien zu Presse-Events eingeladen. Mal komplett zusammen gewürfelt und gleichwertig behandelt, mal separat gehalten und gesondert (mal in die eine, mal in die andere Richtung) umsorgt. Am Ende steht aber das Interesse von Marken und Menschen an den neuen und alten Medien – und das Interesse der Medienvertreter jeglicher Größe und Form und Farbe an den Inhalten. Den einen oder anderen komischen Blick erntet man dann aber doch, wenn Jemand von Verlagshaus XY hört, dass ich von „LangweileDich.net“ oder „seriesly AWESOME“ stamme. Das „Was macht DER denn bitte in unserem erlauchten Kreis?“ kann man förmlich von den vor feuilletonitisch angehauchten Ekel leicht zusammen gedrückten Lippen ablesen.

Professionalisierung als Kennzeichen?

Okay, zugegeben – ich würde Wendy auch nicht als Journalistin bezeichnen. Sie sich vermutlich auch nicht. Dafür ist der Grundgedanke bei ihr nicht gegeben. Sie macht es aus Spaß an der Freude, experimentiert ein wenig, nutzt es tatsächlich als kleines Tagebuch. Aber was ist mit all den Blogs, die mehr und mehr professionalisiert werden? Es gibt ganze Redaktionsteams, die gemeinsam an Geschichten feilen, Inhalte kreieren, mit anderen (Medien-)Unternehmen kooperieren. Das führt so weit, dass Seiten wie t3n oder Serienjunkies zu vollwertigen Redaktionen im klassischen Sinne auch nach Außen hin wahrgenommen werden – obwohl als Blog gestartet. Die Grenzen verwischen und verschwimmen und sind eigentlich nicht existent. Stets nur so ausformuliert, wie jeder es gerade haben möchte. Aber dass es Blogs da draußen gibt, die nicht nur mehr Expertenwissen in der Themen-Tiefe, sondern teils auch mehr Leser als so manch klassischer Online-Ableger des gleichen Themengebiets besitzt, wird da gerne mal ignoriert.

Journalismus ist am Ende das, was sich der Leser auswählt. Und tut mir leid, liebe Zeitungen und Magazine da draußen – aber Blogs sind da immer häufiger näher am Leser und teilweise sogar schneller. Zumindest, wenn es um die menschennahen Themen geht. Und am Ende landet dann sogar ein kleiner Lifestyle-Blogger bei der Business Punk und schreibt seine eigene Kolumne. Jetzt darf ich mich auch in Gegenwart meiner Freundin als Journalist bezeichnen ohne Augenverdrehen zu ernten.

9 Kommentare

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  2. Manfred says

    Hi Maik,
    ich stimme den Aussagen in deinem Artikel voll und ganz zu. Ich arbeite seit einiger Zeit als Online-Redakteur für eine Technik-Seite, die sich vor allen Dingen mit aktuellen Smartphones und Tablets beschäftigt. Und obwohl ich gerne in der Redaktion arbeite, würde ich wesentlich lieber einen Blog betreiben oder an einem Mitwirken. Sein eigener Herr sein und nicht den Beschränkungen SEO-süchtiger Chefs unterliegen.

    Warum das so ist, hast du am Ende deines Artikels sehr gut beschrieben. Blogger sind meist deutlich näher am Leser, interagieren mehr mit ihnen und, was ich jeden Tag wieder erlebe, sind deutlich schneller als die meisten großen Seiten. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die meisten feste Arbeitszeiten haben und nicht um 11 Uhr abends noch jemand in der Redaktion sitzt. Auch am Wochenende haben viele meist einen einfachen Dienst, der nur 3 Stunden o.ä. umfasst, weswegen dann einige Themen untergehen, die erst am Montag gemeldet werden.

    Ich persönlich empfinde das als Einschränkung. Natürlich muss man eingestehen, dass viele Blogger auch viel Zeit in den Blog investieren. Da kann ein Tag auch einmal von 7 Uhr morgens bis 23 Uhr abends gehen, wenn gerade viele spannende Themen auf dem digitalen Browser-Tisch liegen. Dafür merkt man das Herzblut was bei vielen in den Artikel steckt. Allerdings unterliegt man in einer Redaktion auch meist einem solchen Druck und Vorgaben, die das freie Schreiben oft deutlich einschränken. Es bleibt weniger Platz für Veränderungen und Interaktion mit den Nutzern. Auch müssen Themen gemeldet werden, die persönlich wenig interessieren oder spannende Themen trocken niedergeschrieben werden.

    Während ich den ganzen Tag schreibe, welche Leaks es zu einem neuen Handy gibt und welcher Hersteller wieder wie viel Umsatz macht, würde ich deutlich lieber mal einen interessanten Film, ein Video oder ein spannendes Kickstarter-Projekt mit einfließen lassen. Dafür bleibt aber meist keine Zeit.

    Und was du wahrscheinlich auch viel zu selten für deine Mühen hörst: Vielen Dank für den guten Artikel.

    Grüße von einem Fan deiner beiden Projekte. :)

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  8. Hallo Maik,
    also so hab ich das noch nicht gesehen aber das Beispiel von dem Apfel und der Birne find ich super.
    Wichtig ist halt wie es schmeckt und beides schmeckt gut aber eben immer etwas anders :)
    Ich bin da voll deiner Meinung, wer weiß letztendlich am besten was zb. Jugendlichen gefällt oder bewegt? Ich denke der Jugendliche!
    Ich finds toll bei Dir dabei sein zu dürfen…….
    Kurzweilige Grüße,
    Livia

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