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Auf Bali geht um Vier die Sonne unter – Kapitel 27

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Auf Bali geht um Vier die Sonne unter – Kapitel 27 Auf_Bali_Blogbinder

27. Bali

Woran merkt man, dass man es geschafft hat? Wenn einem Oliver Kalkofe bei der letzten Garnele des Buffets mit einem verschmitzten und anerkennenden Lächeln den Vortritt lässt. Ich nehme das Angebot dankend an. Wahrscheinlich hätte auf Kalkofe’s Schlachtplatte mitsamt schiefen Turm von Mini-Pizza eh nichts mehr gepasst. Und wenn man bereits geschätzte 189 andere Garnelen gegessen hat, vergeht einem bestimmt eh der Appetit darauf und man wechselt die Disziplin. Aber egal, er, Oliver Kalkofe, mit einer Markenbekanntheit von 74 Prozent in Deutschland lässt mir, Sven Bukholz mit einer Markenbekanntheit von 35 Prozent beim abendlichen Jägermeister, den letzten Meeresschwanz. Jetzt bin ich wer. Und jetzt, wo ich jemand bin, muss ich mich den anderen Jemanden nur noch vorstellen. Kontakte knüpfen, Vitamin B, „Du, ich kenn da wen“, und so weiter sind doch die Basiszutaten für einen gelungenen Karrierestart.

Das Problem ist, dass mich hier wahrscheinlich kein Schwein kennt. Oli hat bestimmt auch nur gedacht, ich sei ein Kollege, weil ich überhaupt anwesend bin. Oliver Kalkofe hat sicherlich Nichts dagegen, wenn ich ihn in Gedanken duze. Ehrlich gesagt weiß ich ja noch nicht einmal recht, von wem diese Party überhaupt ist. Karl hat mir nur kurzfristig eine SMS geschickt mit der Adresse, der Uhrzeit, einem Dresscode und den Worten „wichtig: geh da hin!“. Zum Glück hatte ich noch meinen alten Anzug im Schrank, ansonsten hätte Oli mir die letzte Garnele sicherlich nicht zugestanden. Wenigstens gibt es endlich etwas zu Essen. Den gesamten Tag hunger ich mich von einem Termin zum anderen. Dazwischen keine Zeit, was zu kaufen und überall gibt es nur dieses Zeug für den kleinen Hunger. Und das Problem ist, viele Snacks für den kleinen Hunger ergeben niemals zusammen vertilgt einen Snack für den mittleren Hunger. Vom großem mal ganz zu schweigen. Ich decke mich mit kleinen Lachs-Häppchen und Mini-Frikadellen ein. Dabei fühle ich mich doch etwas seltsam. Immerhin ist es ungewohnt, gegen 16 Uhr bereits im Anzug ein warm-kaltes Buffet zu plündern. Und drei Begrüßungssekte intus zu haben. Hat mich ja gewundert, von der netten Begrüßungstante auf ihrem Begrüßungstablett gleich drei Begrüßungsdrinks angeboten zu bekommen, aber hier wird nicht gekleckert, hier wird klotzen gelassen.


Es fühlt sich an, wie eine abendliche Gala. Mit vollbepackten Teller mache ich mich auf, meinen Hunger zu stillen und ein paar andere Gäste mit meiner Gesellschaft zu beglücken. Ich handel mir charmante Absagen bei B-, C- und E-Promis ab. Aber eine kleine Gruppe D-Promis lässt mich an ihrem Stehtisch teilhaben. Nett von denen, auch wenn ich kaum einen kenne. Oh, was ist das? Mein Magen meldet sich. Ein lautes Grummeln deutet mir an, doch mal die örtlichen Sanitäranlagen aufzusuchen. Möglichst schnell. Kein Wunder, dass der Kalkofe mir die letzte Garnele gelassen hat. Vergiften wollte der Kerl mich. Daher auch das verschmitzte Lächeln. Nene, das Gedanken-Du ziehe ich aber mal ganz fix wieder zurück. Aber erst einmal bin ich damit beschäftigt, ganz andere Sachen zurück- und zusammen zu ziehen. Mein angestrengt möglichst unangestrengt aussehendes Gesicht wirkt mit ein paar sparsam vorgetragenen „Klo?“-Fragen als gekonnte Kurzkonversation mit anderen Gästetrauben zur Orientierung.
„Hinten den Flur lang und dann rechts.“
„Danke Harald. Bei Sat.1 fand ich Dich übrigens besser damals…“
Aber keine Zeit für langen Smalltalk. Den Anweisungen folgend erreiche ich endlich mein Ziel. Glücklicherweise gibt es keine Schlange und das Badezimmer ist frei. Ich schnelle herein und schließe die Tür ab. Vergebens taste ich seitlich nach einem Lichtschalter, der scheint wohl draußen angebracht zu sein. Egal jetzt. Die Zeit drängt und das Tageslicht ist absolut ausreichend. Um die Toilette zu erreichen hätte es beinahe einer zweiten Wegbeschreibung benötigt, so weiträumig ist das Zimmer. Ich hebe den Klodeckel hoch, meine Hose runter und setze mich erleichtert auf die Brille. Puh, die ist ja sogar vorgewärmt. Der Wahnsinn. Während sich mein Körper jeglichen Vergiftungsversuchen entledigt, lasse ich meinen Blick durch das riesige Badezimmer schweifen. Ist schon der Wahnsinn, was man so mit ein bisschen viel Geld machen kann. Marmor an der Wand, Fußbodenheizung, ein riesiger Whirlpool in der Ecke. Und eine elektronische Ausstattung, wie ich sie mir in meinem Wohnzimmer wünschen würde: Fernseher, Hi-Fi-Anlage, und sogar einen Premiere-Decoder. Ich wird verrückt. Dann müsste ich den Gastgeber doch eigentlich leicht ausmachen können, so verschrumpelt, wie der ist. Wenn der schlau ist, verbringt der sein gesamtes Privatleben in blubberndem Wasser. Wie teuer ist wohl so ein Bad? Meine waghalsigen Rechenspiele und die vier im Sinn werden jäh von einem einsetzenden Surren unterbrochen. Leicht erschrocken blicke ich zum Fenster. Die Rollladen begeben sich elektronisch herunter. Verdutzt schaue ich mich auf meinem vorgewärmten Verdauungsthron um. Nicht, dass ich mit meinem Allerwertesten irgendeinen Bewegungssensor oder Berührungsschalter oder sonst Etwas angeschaltet habe. Doch das Surren ist unbeirrbar. Und mit einem Mal verstummt sowohl das elektrische Summen, als auch mein Sehvermögen. Es ist stockduster. Ich hocke mitten in meiner Geschäftssitzung und kann die eigene Hand vor Augen nicht sehen. Nachdem ich diesen traditionellen Blicktest gemacht habe, taste ich mit den Händen verzweifelt die Wand ab. Natürlich auch kein Lichtschalter. Welcher normale Mensch verlegt seine Schalter denn allesamt außerhalb des Raums? Vor allem, wenn es derartige elektronische Fallen gibt?

„Fertig. Abwischen!“ schreie ich flüsternd in den Raum hinein. Als Antwort erhalte ich aber nur meinen eigenen Hall. Glücklicherweise hat der Innenarchitekt daran gedacht, das Toilettenpapier in griffnähe bereit zu halten. So lässt sich wenigstens das Wichtigste schon einmal regeln. Das Papier muss aus Eichhörnchenfell oder so sein, so weich ist es. Aber nur kurz lasse ich mich davon beeinflussen und fokussiere mich lieber auf das vor mir liegende Problem. Mein Handy zeigt 16:14 Uhr an. Am helllichtem Tag gehen um 16:14 Uhr automatisch die scheiß Rollladen runter. Das gibt es doch nicht. Oder hat sich irgend so ein Kasper wie Frank Elstner oder so einen Gag ausgedacht und überall hängen versteckte Nachtsichtkameras, die meine Verzweiflung in Nahaufnahme drauf haben? Ich nehme meinen Finger vorsichtshalber aus der Nase. Noch auf dem Weg zur neuen Denkpose habe ich den Einfall: Mein Handy, natürlich! Ich entriegle die Tastensperre und wähle irgendeine Taste. Das Display leuchtet weiß auf und es gibt wenigstens etwas Licht. Zumindest genug Licht, um die Hand vor Augen zu sehen. Und das Klopapier besteht definitiv nicht aus Tierfell. Vorsichtig mit beiden Händen tastend und dem Handy im Mund eingeklemmt mache ich mich auf den Weg über den beheizten Marmorboden. Plötzlich geht das Licht im Zimmer an, gefolgt von einem Versuch von Außen, die Tür zu öffnen.
„Oh, Tschuldigung, ich wusste nicht, dass Jemand drin ist“ höre ich eine weibliche Stimme und das Licht geht wieder aus.
„Mmmhmhggg mmhm mhhooo“ versuche ich die vermeidliche Rettung zur Rückkehr zu bewegen. Ich nehme das Handy aus dem Mund und rufe noch einmal:
„Nein, warte! Bitte mach das Licht wieder an!“
Und ich habe Glück. Sie hat mich gehört. Das Licht geht wieder an und ich bin nun nicht nur um einige Mini-Frikadellen und eine vergiftete Garnele erleichtert. Wie es sich gehört, wasche ich noch schnell meine Hände und schnell über das etwas vollgesabberte Stück Lebensretter, welches sich Handy schimpft. Ideal zum Musik hören, Karten spielen oder als Taschenlampe in düsteren VIP-Höhlen. Wann habe ich mit dem Ding eigentlich das letzte Mal telefoniert? Bevor ich mit den Gedanken zu sehr abschweife, mache ich mich schleunigst auf, meine andere Lebensretterin noch zu erwischen. Etwas klobig schließe ich die Tür auf.
„Tut mir leid, ich dachte, ich hätte versehentlich das Licht aus gemacht. Daher habe ich den Schalter noch einmal betätigt. Ich wollte Sie nicht im Dunkeln lassen…“ rechtfertigt sich eine blonde Schönheit mit einem bezaubernden Lächeln. Die Worte, die sie sagt, nehme ich gar nicht richtig wahr. Ich hänge so an ihren vollen Lippen, dass sie auch eine schwedische Aufbauanleitung für die Kloschüssel „Kötzebrö“ vorlesen könnte. Ich würde gefesselt zuhören. Naja, zumindest zusehen.
„Kann ich jetzt rein?“
„Ähm, klar… Natürlich, gerne.“
Mein Highlight des Tages zieht an mir vorbei. Mit ihr weht ein leichter sommerlicher Duft. Während die Tür sich langsam schließt, werfe ich noch schnell ein „und danke nochmal“ hindurch. Gefangen von ihrer Ausstrahlung verharre ich vor dem Eingang. Ein Mann im Anzug kommt zu mir herüber und tippt mich an.
„Ja, tut mir leid, ich geh‘ ja schon zur Seite…“
„Nein, entschuldigen Sie. Das meine ich nicht. Sie haben da unten noch etwas…“ sagt er es, mit einem seiner behandschuhten Fingern auf meinen Schritt deutend. Ist der neue Aggregatszustand meines Geschlechtsteils etwa schon derart offensichtlich? Aus meinen Träumen gerissen schaue ich nach unten. Bei all den Ausleuchtungsproblemen habe ich doch glatt den Reisverschluss vergessen. Zipp.
„Oh, wie unangenehm. Danke sehr.“
Na hoffentlich hat das meine hübsche Toiletten-Nachfolgerin nicht bemerkt. Als die Tür erneut aufgeht, versuche ich krampfhaft, die letzte Schamesröte aus meinem Gesicht zu drücken. Und das mit Erfolg. Es ist nur noch krampfhafte Drückensröte zu sehen. Sie tritt heraus, stellt sich mir gegenüber und fragt mich:
„Ich hoffe, es war alles nach Ihren Wünschen?“
„Ähm ja… Aber Sie waren doch gerade auf der Toilette. Sollte ich nicht eher Ihnen diese Frage stellen? Wenn es diese Frage überhaupt geben sollte…“
Sie deutet mit ihrem Finger auf ein kleines Namensschildchen an ihrer Brust. Natürlich, die Brust. Dass ich da noch gar nicht hingeschaut habe. Sieht aber mehr als stattlich aus. Passt von den Proportionen her einfach perfekt zum Rest. Erneut versuche ich, möglichst wenig gedanklich abzuschweifen.
„Ah, Sie sind also Frau… Nadja Meyerfeld. Freut mich, Sie kennen zu lernen.“
„Ebenso. Und ich arbeite hier als Servicekraft.“
Ah, das erklärt auch, weshalb sie so gut riecht. Und, weshalb sie nach ihrem Toilettenbesuch kurz aufgeräumt hat.
„Ähm, als ich dort vorhin sesshaft war, ist plötzlich die Jalousie herunter gekommen. Soll das so sein?“
„Oh, sie saßen dann doch nicht etwa im Dunkeln?“ kann sich meine Schönheit ein Lachen nicht verkneifen. Na läuft doch.
„Doch… Aber ist ja nicht so schlimm. Sie haben mich ja errettet.“
Wir blicken uns gegenseitig in die Augen. Sie hat unbeschreiblich schöne Augen. So groß. So grau. So irgendwie auch grün. Klar, jeder Mensch hat schöne Augen, weil Augen nun einmal krass aussehen. Aber diese sind besonders schön. So tief. Ich könnte mich darin verlieren…
„Verstehen Sie, was ich meine?“
Oh, sie hat gesprochen.
„Das ist, um Energie zu sparen. Da ist irgendwie technisch eingestellt, dass die Jalousien automatisch herunter gefahren werden, wenn geografischer Sonnenuntergang ist.“
„Sonnenuntergang? Und das um 16:14 Uhr? Es war doch noch total hell. Sonst hätte ich doch auch nicht das Licht ausgelassen…“
„Wohl den Schalter nicht gefunden, oder?“ sagt Nadja mit einem Grinsen im Gesicht. Sie dreht sich zur Seite und drückt zwei Mal auf den Lichtschalter neben der Tür.
„Ja gut… das auch. Hatte es halt eilig, wollte nicht zu spät kommen. Sie wissen schon, ich hasse Unpünktlichkeit.“
„Eine gute Eigenschaft.“
„Aber bei aller technischen Euphorie: Wieso um alles in der Welt werden dann nachmittags bereits die Schotten dicht gemacht? Dadurch wird doch eher mehr Strom verbraucht, wie man sieht. Und es verletzen sich überall auf der Welt Menschen, die im Dunkeln gegen Schränke laufen.“
„Das ist halt irgendwie geografisch bedingt. Sobald der Sonnenuntergang kalendarisch beginnt. Oder so.“
„Ja wohl eher ‚oder so‘. Jetzt gerade geht doch höchsten die Sonne über Bali unter. Aber doch nicht hier in Hannover.“
„Auf Bali geht um vier die Sonne unter?“
„Naja, jetzt halt. Unser vier ist ja deren… keine Ahnung. Sonnenuntergang oder so.“
„Sie haben ja eine Fantasie…“
„Wenn ich verärgert bin, werde ich kreativ. Wenn das nur immer so wäre. Sie können übrigens Sven zu mir sagen.“
„Oh, tut mir leid. Aber es ist vorgeschrieben, dass wir während des Dienstes bei der Höflichkeitsform gegenüber unseren Gästen verbleiben…“
„Okay… Dann verbleiben wir vorerst dabei. Aber lassen Sie uns doch nicht hier verbleiben. Wollen wir uns an einen der Stehtische stellen? Sie können mir ja beratend zur Seite stehen…“
„Gerne.“

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