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Auf Bali geht um Vier die Sonne unter – Kapitel 10

[Mein Roman auf LangweileDich.net! Zum Beginn des Buches und was zuvor geschah: Kapitel 9]

Auf Bali geht um Vier die Sonne unter - Kapitel 10 Auf_Bali_Kapitel_10

10. Eier – Wir brauchen Eier!

„Ich nehm ne Schinken mit Peperoni. Aber in scharf!“
Heute Abend steht endlich mal wieder Fußball an. Champions-League-Finale, Bier, Pizza. Ein reiner Männerabend halt. Und an diesem Abend sind wir mal einmal ein bisschen Frau, wenn es um Fußball geht. Beide Teams haben bislang eine sehr gelungene Saison gespielt und wir wollen einfach nur ein attraktives Spiel sehen. Soll der bessere gewinnen. Dass ich das einmal denken würde, wenn es nicht gerade um Poker oder ein Brettspiel geht. Wobei, bei Letzteren wird doch eh nur beschissen. Heute sind wir jedenfalls bei Matze untergekommen. Matze wohnt in einer Zweier-WG, was soweit nicht erwähnenswert ist. Aber die beiden sind quasi Untermieter von einem Mieter, der wiederum mit seinem Mitbewohner eine Etage weiter oben wohnt. Immer noch nicht wirklich erwähnenswert. Das Kuriose ist aber, dass sich beide Parteien den selben Zugang zum Treppenhaus und somit auch den Flur teilen. Für mich als Gast war das zunächst etwas verwirrend. Hatte ich gerade noch mit dem Studenten Matthias in der Küche über Sportwagen, Techno und richtige Musik gesprochen, geht dieser aufs Klo und auf einmal grüßt mich ein Mitte-40-Jähriger Kosovo-Albaner mit Halbglatze.
„Oh, das ist unser Vermieter. Der muss hier immer durch.“
Achso. Selbstredend. Wer kennt das nicht? Außerdem sieht natürlich die Tür, die zur Wohnung der Mieter geht nicht wirklich anders aus als jede andere x-beliebige Tür in Deutschland. Da öffnet man auf der Suche nach dem Bad oder rein aus Erkundungstrieb einfach mal die Tür und sieht Jemanden beim Hose wechseln, den man dabei ganz bestimmt nicht sehen möchte.
„Leute, die Wohnung war halt echt günstig, passt von der Lage und die Vermieter machen keinen Stress.“
„Na außer, dass sie täglich durch Deine Bude stampfen…“
„Jaja, aber das ist ja nicht mehr lange.“
„Hast Du etwa endlich eine Wohnung in Frankfurt bekommen? Oder benötigst Du noch ein paar Tipps zur Wohnungssuche? Ich kann Dir ansonsten noch eine was empfehlen!"
„Vielen Dank, aber ich habe was gefunden. Ziehe nächsten Samstag um. Könnt ihr mir helfen?“
Chris, Jonas und ich schauen uns gegenseitig an und nicken mit den Köpfen.
„Klar, machen wir.“
„Wunderbar, dann also Samstag Morgen um Fünf hier!“
Alle stoßen mit ihren Bierflaschen an, nur ich verharre einen kurzen Augenblick.
„Es gibt morgens auch ein Fünf Uhr?“
„Okay, okay. Sagen wir halb sechs.“
„Na klasse, auf die halbe Stunde scheiße ich…“
Ich stoße ebenfalls an und denke schon mit Grauen an die bevorstehende Nachtschicht. Dazu wohnt Matze natürlich wie jeder Student im obersten Stockwerk des Hauses. Und das verfickte Haus muss natürlich sechs Stockwerke besitzen. Dazu selbstverständlich auch noch ein Altbau sein, wie es sich für alte Häuser gehört. Und was haben alte Häuser auch? Richtig: Keinen Fahrstuhl. Das kann ja ein Spaß werden.
„Das wird bestimmt ein Riesenspaß! Mit euch rumhängen, eben nach Frankfurt fahren. Dann seht ihr auch gleich die neue Wohnung. Könnt ja eine Nacht da pennen, wenn ihr wollt. Platz ist genug da.“
„Das hört sich gut an. Bin dabei. Und ich könnte euch, wenn ihr wollt, mal meine ersten Versuche als Comedian vortragen. Hab da mal ein Bisschen was zusammen getragen.“
„Na das hört sich doch nach einem gelungenen Plan fürs Wochenende an.“
Und heiter klingen die Bierflaschen. Und kurz darauf auch schon die Türklingel.


Mit lediglich 15 Minuten Verspätung treffen unsere Pizzen anscheinend ein. Eine der wenigen guten Eigenschaften einer „hohen“ Wohnung ist wohl, dass man zwischen der Betätigung des Türsummers und dem wirklichen Eintreffen einer Person geschätzte zehn Minuten Zeit hat, sich anzuziehen, die Haare zu machen, Geld zu suchen und das eben angefangene Level des momentan angesagten Videospiels zu beenden. Bei fetten oder alten Menschen sogar noch mehr. Nachteil: Alles was unten noch warm war, wird es oben nicht mehr sein. Zumal die Wohnung natürlich auch noch weiter vom Erdkern weg ist und in diesen Höhen Schnee bereits im August erscheint. Wir haben einigermaßen Glück gehabt und teilen unsere noch warmen Pizzen auf, zerschneiden sie und freuen uns über ein Geschenk des Hauses. Billiger Rotwein, oder was das auch sein soll.
„Oh, ein 2008er Aral, wie fein“ sagt Chris und öffnet die Flasche.

Es klopft an der Tür und ich wunder mich, ob der schlecht deutsch sprechende Pizzajunge den Weg nach unten nicht finden konnte. Aber nein, die Tür öffnet und der Vermieter lugt durch den Spalt.
„Hi. Ähm, hast Du Eier da? Mir fehlen nämlich zwei Stück…“
„Sorry, habe keine über.“
„Ok, schade. Schönen Abend noch.“
Die Tür schließt und wir schauen uns verwundert an. Wir können uns alle ein Grinsen nicht verkneifen. Jonas fängt an zu lachen und sagt:
“Solche Fragen sind bei Zahlen unter vier wohl zu vermeiden.”
“Warum unter vier? Unter drei jawohl…”
“Drei wäre doch auch geil. Schön zum Rumprahlen.”
“Ich hab’ mal im TV von einem gehört, der hatte drei. Eins haben sie ihm dann raus operiert…”
“Warum das? Der hätte doch eine ganz große Nummer im Porno-Business werden können!”
“Stimmt, mit der Gabe, braucht der es noch nicht mal können, der wird automatisch engagiert.”
“Yep, bräuchte nur noch ´nen coolen Namen…”
Und so sitzen vier junge Männer in einem Raum und denken über den passendsten Namen für einen Pornodarsteller nach.
„Der Eiermann?“
„iRod?“
„Ei mal Ei macht drei, fidibidibup…“
Tragischer Weise ist das Fußballspiel bislang nicht von dem erhofften Unterhaltungswert geprägt, so dass das Wortspiel eine gute Viertelstunde so weiter geht. Bis:
“Hihi. Tripple-Eggs!”
„Und wir haben einen Sieger.“
Ich strecke triumphierend eine Faust in die Luft und wirble mit ihr umher. Als intellektuelle Männer unserer Zeit erkennen die Anderen, wenn Jemand die Messlatte unüberspringbar hoch gelegt hat. Hihi, Messlatte.
„Und wenn drei solcher ‚besonderen‘ Männer mit zwei Frauen auf einem Billardtisch rummachen würden, könnten wir den Film ‚9 Balls – 6 Holes‘ nennen.“
„War ja klar, dass da noch was kommt.“
„Hihi, ‚kommt‘…“
Wir essen unsere Pizzen auf und schauen weiter das Spiel. Ein magerer Sieg nach einem Krampfspiel für den glücklicheren Sieger. Das hatten wir uns auf dem Niveau aber anders vorgestellt. Wenigstens konnte ich in meinem mitgebrachten Block mal wieder ein paar Anekdoten, Kommentare und Witze kritzeln. So bin ich für Frankfurt gewappnet.

Um für meinen ersten inoffiziellen Standup-Auftritt nicht nur inhaltlich sondern auch outfitlich gewappnet zu sein, beschließe ich mich, meinen monatelang geplanten T-Shirt-Kauf nicht länger vor mir her zu schieben. Bewaffnet mit meiner Gutschrift von meiner kurzen Affäre mit Tom mache ich mich am nächsten Tag auf in das Kleidungsfachgeschäft meines ehemaligen Vertrauens. Mittlerweile wurde das Sortiment komplett auf Sommer- / Herbstmode umgeändert. Ich mache einen großen Bogen um die Regale der Firma leger wear und stehe vor den reduzierten Designer-Shirts. Die sehen gar nicht mal so schlecht aus und sind von 40 auf 20 Euro runter gesetzt. Ich greife mir ein gut aussehendes Motiv der Größe M und halte es mir an die Brust. Naja, müsste passen. Aber müsste passen reicht mir nicht mehr. Ich streife das Shirt über und bin schon ein bisschen enttäuscht, als ich merke, dass es passt. Der ganze Aufwand umsonst. Da mir das Motiv so sehr gefällt, nehme ich mir noch zwei weitere Shirts in anderen Farben mit. So erspare ich mir weiteres Anprobieren. Das nenne ich doch einen wahren Männerkauf. Mit dem Ziel, drei Shirts zu kaufen bin ich hier hin gelaufen und nach zwei Minuten habe ich es fast erfüllt. Nur die Schlange an der Kasse möchte mir eine Rekordzeit verbieten. Nicht nur, dass lediglich eine der drei Kassen offen ist – was mir immerhin die Entscheidung der vermeidlich richtigen Schlange erleichtert – nein, das Durchschnittsalter meiner Mitwartenden dürfte klar über dem durchschnittlichen IQ liegen. Dabei sehen die eigentlich alle recht klug aus. Und natürlich muss eine der alten Damen auch noch anfangen, mit der Verkäuferin zu quatschen. Und ausnahmsweise scheint es sich dabei auch noch um eine der wenigen freundlichen Verkäuferin zu handeln, denn sie steigt auch noch drauf ein.
„Haben Sie das mit Düsseldorf gehört, junge Dame?“
„Nein, wieso?“
„Da haben sie heute Morgen den Bahnhof gesperrt…“
„Och, wieso denn das?“
„Aber nur den halben Bahnhof…“
„Wieso den halben Bahnhof? Was war denn da?“
„Ne Bombe. Da hat Jemand ne Bombe hingelegt. Eine kleine Bombe. Ist aber alles wieder frei. War nur heute Morgen.“
„Soso, na das ist ja interessant.“

Soso, na das ist einen Scheiß! Ich steh hier bereits länger, als ich für die komplette Hinfahrt und den Einkauf gebraucht habe und diese freundliche, aufmerksame, dumme Verkäuferin pausiert ihre Arbeit um mit einer Frau zu plauschen, die den Düsseldorfer Bahnhof bestimmt schon einmal aus Trümmern neu erbaut hat. Und das Seltsamste an der ganzen Warterei ist, dass ich anscheinend der Einzige bin, den das stört. Vielleicht gibt es ein Enzym im Körper, welches das Empfinden von Störung bei Wartezeiten und nervenden Geschichten im Alter ab 70 abstellt. Vielleicht wird die gesamte Wut und Aggression bereits vor dem täglichen Einkauf beim Beschimpfen von dreist vor dem eigenen Haus auf der Straße entlang fahrenden Autos aufgebraucht. Und immerhin haben wir schon 9:34 Uhr. Ein Wunder, dass ich bereits und die noch wach sind. Verärgert schaue ich mich um und suche nach Ablenkung. Natürlich hat niemand ein kleines Kind oder einen Hund dabei, der mich unterhalten möchte. Bestimmt haben die Kaufhäuser extra diesen kleinen Krims-Krams vor die Kassen gestellt, damit die genervten „jungen“ Leute in den Schlangen Etwas aus Verzweiflung und Langeweile kaufen. Verdrängungskäufe. Das ist wie, wenn einem etwas total weg tut und man sich auf die Hand schlägt, damit der neue Schmerz vom alten ablenkt. Ich lenke mich von langweiligen Geschichten aus der Vorkriegszeit und dem lauten Zählen von Kleingeld mit Gürteln und hässlichen Halstüchern ab. Wie die Quengelware im Supermarkt für Kinder funktioniert natürlich auch diese hinterfotzige Vorrichtung des Einzelhandels. Endlich bin ich an der Reihe und lege meine drei Shirts, den Gürtel und die zwei Halstücher auf die Theke.
„Das macht dann 82,97.“
Ich reiche der Verkäuferin meine Karte.
„Stimmt so.“
Während die Kassiererin mit der Karte herum hantiert blicke ich mich um und in verärgert drein schauende Gesichter in der Schlange. Ach ja, wenn es um die Jugend geht, die mal mit Karte zahlt, dann kann man sich auf einmal doch ärgern, oder wie? „Er ist keiner von uns, also lasst ihn uns mit unseren Rentnerblicken durchbohren und imaginär mit unseren verrunzelten Fäustchen schwingen!“ Ich lasse mir Zeit bei meiner Unterschrift und verfasse sie in allerschönster Sonntagsschrift. Die Verkäuferin reicht mir eine Tüte mit meinen Sachen und winkt den Nächsten zu sich. Beim Gang zur Rolltreppe kommt mir eine Frau mit Kind und einem kleinen Hund entgegen. Na klasse, hätten die nicht fünf Minuten früher kommen können, um mich vor den Verdrängungskäufen bewahren zu können?

Als kleine Belohnung für mich selbst nach all den Strapazen, will ich mir einen Milchshake bei Burger King gönnen. Hier ist der Kunde anscheinend noch König. Kaum stelle ich mich an einer der kurzen Schlangen an und schaue suchend die Anzeigeschilder nach Milchshakes ab, da werde ich auch schon zu einer freien Kasse hinüber gewunken. Ich gehe rüber und suche immer noch nach den Shakes..
„Ähm, hallo. Was haben Sie denn so für Milchshakes?“
„Was, sind Sie das etwa?“
„Bitte, wie meinen?“

Erst jetzt schaue ich die Bedienung an und kann meinen Augen kaum trauen. Da steht doch wahrhaft die langnasige Verkäuferin aus dem Kaufhaus vor mir.

„Ach, Sie sind das. Arbeiten Sie nicht eigentlich…?“
„Jaja, da arbeite ich nicht mehr. Die meinten, ich würde nicht genug auf meine Kunden eingehen. Aber was geht Sie das eigentlich an?“
„Ja, nix…“
„Und, was wollen se?“
„Einen Milchshake, sag ich doch.“
Zum Glück kann ich mich von ihrer Nase losblicken und finde endlich die Auflistung der Milchshakes.
„Ähm, einen Banana Split, bitte.“
„Wie groß?“
„Hm… groß.“
„Und Sie sind sich sicher und bringen das Ding nicht nochmal zum Umtausch mit?“
„Haha, wie witzig. Wird schon passen.“
„Zum hier Essen oder zum Mitnehmen?“
„Da man den nicht essen kann, nehme ich ihn mit…“
Sie blickt verwirrt von ihrer Kasse hoch. An der Nase einer Frau erkannt Mann die dumme Sau.
„Zum Mitnehmen, bitte.“
„Macht dann 2,45.“
„Stimmt so.“
Ich lege den Betrag passend hin, drehe mich um und gehe. Mittlerweile ärger ich mich, dass ich den Shake nicht zum hier „essen“ mitgenommen habe. Denn diese ganze sinnlos erscheinende Fragerei hat schlichtweg nur einen steuerrechtlichen Sinn. Wenn jemand das Fast Food im Lokal selbst verspeist, handelt es sich bei dem Verkauf um eine Dienstleistung. Also Essen im Sinne von Restaurant. Somit wird eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Burger & Co. Erhoben. Nimmt man das Essen allerdings mit, gilt es als Nahrungsmittel und wird mit sieben Prozent vermehrwertsteuert. Für ein und das selbe Produkt, welches immer den gleichen Preis kostet, muss das Unternehmen also unterschiedlich Steuern an Vater Staat zahlen. Sprich: Ich belohne diese Verkäuferin von und zu Nase auch noch, indem ich das Ding mitnehme und die sich eine saftige Steuer und einen Typen sparen, der meinen Platz reinigt, wenn ich weg bin und mein Tablett wegnimmt. Ich beschließe, das nächste Mal dort zu essen, oder es zumindest zu sagen und dann heraus zu gehen. Denn so werden Arbeitsplätze der hart schuftenden Raumpfleger gesichert in diesen schweren wirtschaftlichen Zeiten. Und vielleicht wird meiner Lieblingsverkäuferin im Gegenzug etwas weniger Gehalt gezahlt.

[Kapitel 11!]

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