Homepage

In Kooperation mit Tim Hermesdorf

Cannabis legalisieren: Rausch light mit vielen Fragezeichen

Lifestyle
Gastautor:in - 21.04.23 - 6:06
Cannabis legalisieren: Rausch light mit vielen Fragezeichen cannabis-anbauen-pixabay-pfuederi

[Dieser Beitrag wurde von Tim Hermesdorf verfasst.]

Kaum ein Thema hat die Bevölkerung und Politik zuletzt so gespalten wie die geplante Cannabis-Legalisierung. Schon jetzt wurden die ursprünglichen Pläne zum freien Verkauf an Erwachsene eingestampft. Stattdessen bietet Gesundheitsminister Lauterbach “Rausch light” – freies Cannabis für alle unter strengen Auflagen. Was ändert sich und wie fallen die Reaktionen aus? Diesen Fragen gehen wir im nachfolgenden Beitrag auf den Grund.

Cannabis legalisieren: Das sind die wichtigsten Eckpunkte

Bis Cannabis endgültig zu Genusszwecken entkriminalisiert wird, dürfte es noch eine Weile dauern. Denn die vorgestellten Eckpunkte stellen lediglich einen kleinen Zwischenschritt im Legalisierungsvorhaben dar. Bis Ende April möchte der Gesundheitsminister einen ersten Gesetzesentwurf zum Besitz, Eigenanbau und Vertrieb von Cannabis vorlegen. im Wesentlichen sollen die nachfolgenden Vorschläge in den Gesetzentwurf einfließen:

  • Jeder Erwachsene ab 18 Jahren soll bis zu 25 Gramm Cannabis legal und straffrei besitzen dürfen. Zudem soll es erlaubt sein, bis zu maximal drei Hanfpflanzen im Eigenanbau zu haben.
  • In bestimmten Modellregionen soll es Fachgeschäfte geben, die Cannabis straffrei vertreiben dürfen. Hierbei wird ein zeitlicher Rahmen von fünf Jahren gesetzt. Weiterhin wird eine wissenschaftliche Begleitung geplant.
  • Die Einstufung von Cannabis als “Betäubungsmittel” soll entfallen. Allerdings sollen Kinder und Jugendliche weiterhin kein Cannabis kaufen dürfen. Werden sie mit dem berauschenden Mittel erwischt, haben sie jedoch keine Strafe zu erwarten. Es werde noch geprüft, inwieweit man für Jugendliche Produkte mit einem niedrigen THC-Gehalt anbieten könne. Dadurch sollen insbesondere die neurologischen Auswirkungen des psychoaktiven THCs bei Jugendlichen minimiert werden.
  • Nicht-gewinnorientierte Vereine dürfen Cannabis anbauen und an Mitglieder weitergeben. Diese Regelung gilt jedoch nur für Vereine mit höchstens 500 Mitgliedern. Diese dürfen nur einem solcher Vereine beitreten und in den Räumlichkeiten nicht kiffen. Auch hier beträgt die Höchstmenge 25 Gramm täglich und maximal 50 Gramm monatlich. Unter 21-Jährige dürfen lediglich 30 Gramm monatlich erhalten. Zugleich verpflichten sich die Vereine, Beauftragte für die Themenbereiche Prävention, Sucht und Jugendschutz zu ernennen.

Meinungen zur Legalisierung gehen weit auseinander

Schon seit vielen Jahren können Verbraucher:innen im CBD Onlineshop THC-freie Produkte wie Öle oder Kapseln erwerben. Insbesondere das Cannabidiol CBD erfreut sich zur Eigenanwendung oder auch als kreative Geschenkidee großer Beliebtheit. Nun sollen also auch berauschende THC-Produkte legalisiert werden, was gemischte Reaktionen auslöst.

Insgesamt begrüßt zum Beispiel die CDU die neuen Legalisierungspläne. Dennoch sieht die Union die Gefahr, dass der derzeitige Gesetzesentwurf den Schwarzmarkt noch stärker belebe. Denn: Weder der Anbau, noch der Besitz der vorgesehenen 25 Gramm pro Konsument ließen sich angemessen kontrollieren.

Cannabis legalisieren: Rausch light mit vielen Fragezeichen cannabis-anbauen-pixabay-mastertux

Bisher steht der Konsum von Cannabis nicht unter Strafe, aber der Besitz Handel und Anbau. Wer mit Gras erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe oder – bei größeren Mengen – gar mit Freiheitsentzug rechnen.

Ähnlich äußert sich die bayerische Landesregierung und spricht von einem “geistigen Nirwana” und „fehlendem Jugendschutz“. Deshalb spreche sich Bayern ganz klar gegen die geplanten Modellregionen aus. Auch die Abgabe von Cannabis an Heranwachsende unter 21 wird kritisch gesehen. Es ist bekannt, dass sich das menschliche Gehirn bis zu einem Lebensalter von 25 Jahren noch entwickelt. Das psychoaktive THC bindet sich wiederum an die Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn, überflutet es regelrecht. Dadurch können die motorische Entwicklung oder auch die Gedächtnisleistung beeinträchtigt werden. Die Gefahr von Psychosen bei Heranwachsenden sei daher groß und dürfe, so der Konsens, nicht unterschätzt werden. Auch Teile der verschiedenen Landesärztekammern sprechen sich gegen eine Legalisierung in der geplanten Form aus. Für den Präsidenten der sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck, geht der Entwurf an der Lebenswirklichkeit vorbei. Es drohe eine “Verharmlosung der Droge”.

Milliardenmarkt nach Cannabis-Legalisierung erwartet

Ein Argument der Befürworter ist der Kampf gegen den Schwarzmarkt. Wenn Cannabis legalisiert werden würde, entstünde ein Milliardenmarkt mit zusätzlichen Steuereinnahmen. Immerhin konsumieren schon jetzt laut Schätzungen des deutschen Hanfverbands ein Viertel der 18 bis 64-jährigen Deutschen mindestens einmal Cannabis. Viele von ihnen wollen das Rauschmittel einfach einmal ausprobieren, andere konsumieren Gras als Mittel gegen Stress.

Insgesamt schätzen Experten den jährlichen Verbrauch auf rund 200 bis 400 Tonnen. Eine stolze Summe, die mit der Entkriminalisierung vermutlich noch steigen würde. Im Zuge dessen könnten zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen, sodass schlussendlich auch die Bevölkerung profitieren könnte. Doch für den Umlauf benötigt man zunächst die zusätzlichen Mengen des Rauschmittels. Da ein Import (noch) dem internationalen UN-Einheitsabkommen zuwiderläuft, müsste das Gras in Deutschland angebaut werden. Hierfür bedarf es klarer Rahmenbedingungen und zusätzlicher Produktionskapazitäten. Grundsätzlich sei das entsprechende Knowhow in Deutschland vorhanden, da der Anbau von Nutzhanf bereits jetzt zu bestimmten Zwecken erlaubt ist. Auch Start-ups und große Unternehmen sind bereits dabei, sich auf die zu erwartende Legalisierung einzustellen. Indem sie Lieferketten prüfen und sich jetzt schon nach Geschäftsflächen umschauen, wollen sie vorbereitet sein. Auf den Tag der Legalisierung, ab dem sich der Handel mit Cannabis wahrscheinlich zum Milliardengeschäft in Deutschland entwickelt.

Cannabis legalisieren: Rausch light mit vielen Fragezeichen cannabis-anbauen-pixabay-erin-hinterland

Der geplante Gesetzesentwurf sieht bestimmte Kiffer-Verbotszonen in der Nähe von Kitas oder Schulen vor.

Cannabis legalisieren: Womit Autofahrer rechnen müssen

Auch die Polizei stuft die legale Erwerbbarkeit von Cannabis weitestgehend als kritisch ein. Man befürchtet neben “milieutypischen Straftaten“ auch eine Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Annahme, wonach der Drogenkonsum im Straßenverkehr wahrscheinlich zunehme, ist nicht unbegründet. Denn mit dem Konsum des Rauschmittels wird die Verkehrstüchtigkeit zu einem unkalkulierbaren Risiko. Kiffen am Steuer? Ist gefährlich und kann teuer werden.

Wer fährt und vorher Gras konsumiert, begeht gemäß Straßenverkehrsgesetz eine Straftat. Verkehrssünder riskieren eine saftige Strafe von bis zu mehreren Tausend Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot, wenn sie erwischt werden. Autofahrern wird deshalb dringend geraten, das Fahrzeug nach dem Konsum des Rauschmittels stehen zu lassen oder lediglich als Beifahrer:in mitzufahren. So bringt man sich und andere nicht in Gefahr. Auch die langfristigen Folgen sind dann bei weitem nicht so unangenehm: Wer nachweislich Cannabis vorm Autofahren konsumiert, muss mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechnen. Zudem müssen Betroffene nachweisen, dass sie nicht dauerhaft und regelmäßig am Steuer kiffen. Angesichts der Tatsache, dass sich THC nur langsam im Blut abbaut, ein eher schwieriges Unterfangen.

Es bleiben viele Fragen offen

Konsequent hinschauen statt wegschauen: Obwohl der erste Gesetzesentwurf steht, bleiben noch viele Fragen offen. Etwa, wie die “nicht gewinnorientierten Vereine” die Weitergabe des Rauschmittels an ihre Mitglieder finanzieren. Oder wie sich die Anbau- und Vertriebsbedingungen günstig gestalten lassen, damit das Rauschmittel nicht nur Besserverdienenden zugänglich gemacht wird. Es bleibt abzuwarten, welche politischen Lösungen gefunden werden. Wenn die wissenschaftlich begleiteten Modellversuche positiv verlaufen und der Kinder- und Jugendschutz im Fokus steht, lässt sich das Potenzial erfolgreich nutzen.

Mit freundlicher Unterstützung von Tim Hermesdorf | Bilder: Pfüderi, MasterTux, Erin_Hinterland (CC0 Creative Commons, pixabay) | Drogen machen abhängig!

Keine Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abo ohne Kommentar

Hinweis: Bei Kommentieren werden angegebene Daten sowie IP-Adresse gespeichert und Cookies gesetzt (öffentlich sichtbar sind nur Name, Website und Kommentar). Alle Datenschutz-Infos gibt es hier. Dank Cache/Spam-Filter sind Kommentare manchmal nicht direkt nach Veröffentlichung sichtbar (aber da, keine Angst).
Support the blog!

INSTAGRAM

Hallo!

Ich bin Maik Zehrfeld und habe diesen Blog 2006 aus Langeweile heraus gegen die Langeweile gegründet. Mittlerweile stellt LangweileDich.net eine Bastion der guten Laune dar, die nicht nur Langeweile vertreiben sondern auch nachhaltig inspirieren will. Gute Unterhaltung!

Blogroll Archiv Unterstützen Kontakt Mediadaten sponsored Beratung Datenschutz Cookies RSS

Um Werbung im Blog auszublenden, als "Langweiler:in" bei Steady einloggen.

DANKE an die "Langweiler:innen" der höheren Stufen: Andreas Wedel, Daniel Schulze-Wethmar, Goto Dengo, Annika Engel, Dirk Zimmermann, Marcel Nasemann, Kristian Gäckle und Christian Zenker.

Langeweile seit 6436 Tagen.