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Neue Kolumne von Junior-Bloggerin Livia

Gedanken einer 19-Jährigen: Deutschrap, Hass, Kohle und die Politik

Gedanken einer 19-Jährigen: Deutschrap, Hass, Kohle und die Politik Livia-Portrait-kolumne-2020

Was passiert eigentlich in dieser jungen Generation? Immer wieder Fälle von Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit. Was lernen die eigentlich in der Schule? Und warum wird in den Schulen nicht viel mehr Präventionsarbeit geleistet?

Gerade aus der Politik wird die Verantwortung gerne auf die Schulen abgeschoben. Anstatt sich zu überlegen, warum es in der jungen Generation zu antisemitischen, rassistischen oder homophoben Diskriminierungen kommt. In unserer Hauptstadt Berlin kommt es sogar im Schnitt pro Tag zu drei antisemitischen Vorfällen.

Was kann man dagegen also tun? Präventionsarbeit hin oder her. Aber die Schulen können nicht alle Versäumnisse der Politik auffangen. Es wäre schön, wenn sich die Politik nämlich mal wirklich fragt, warum es bei Jugendlichen zu immer mehr homophoben oder antisemitischen Vorfällen kommt. Wir reden hier nicht mehr von Einzelfällen. Und ob ein bisschen Präventionsarbeit an den Schulen reicht, um den Einzelnen mehr zu sensibilisieren, ist fraglich.

Die Frage ist daher doch, warum kommt Antisemitismus, Homophobie oder auch Frauenfeindlichkeit immer mehr in Mode? Und wer sich in meiner Generation ein bisschen auskennt, der weiß, dass der Deutschrap einen enormen Einfluss auf das Leben von sehr vielen Jugendlichen hat.

Nur mal ein paar Zahlen dazu. Der erfolgreichste Deutschrapper aller Zeiten ist Capital Bra. Er hat bisher mehr als 7,9 Millionen Tonträger verkauft. Oder einer der umstrittensten Rapper ist Kollegah, er hat bisher über 1.207.500 Tonträger verkauft.

Allein die beiden haben schon fast 10 Millionen Mal ihre Botschaft in meine Generation gebracht. Mehr Einfluss geht einfach nicht. Sie sind Vorbilder. Sie kommen von unten und haben es bis an die Spitze gebracht. Sie sind durch diese Texte reich geworden und zeigen es auch. So viele aus meiner Generation wollen so sein wie sie. Die Botschaft in den Texten wird für viele aus meiner Generation zur Realität. Sie wollen so Leben wie ihre Helden.

Und da haben wir das ganze Problem. Kunst und Realität verschmelzen. Es wird zum Lebensgefühl. Und einige Teile des Deutschraps befeuert dies. Denn es geht vor allem um Geld. Mehr verkaufte Songs. Mehr Kohle für den Künstler. Aber jeder Künstler, egal aus welchem Metier, hat eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Und dieser Verantwortung kommen einige Deutschrapper einfach nicht nach. Als Beispiele für rassistische Begriffe aus deren Texten haben wir Nigger, Kanacke oder Schlitzauge. Und die Auswahl ist noch viel größer. Behinderte Menschen werden als Spast, Spacko oder Mongo bezeichnet und Mädchen gerne als Pussy, Bitch, Schlampe, Fotze oder Hoe – Frauenfeindlicher geht’s nicht mehr.

Oder wie Kollegah & Farid Bang im Song „Dynamit“ so schön sagten:

„Die Bitches heute wollen Jungfrau bleiben, zwei Optionen – Arsch oder Mund auf, Kleines.“

So kommt es, dass diese Wörter auch als normale, umgangssprachliche Begriffe in weiten Teilen meiner Generation verstanden werden oder besser gesagt, falsch verstanden werden. Wenn Kollegah das so sagt, dann ist es eben cool.
So ist es auch kein Wunder, dass sich neun von zehn Frauen in Deutschland wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlen. Das ist einfach nicht in Ordnung. Und zur Belohnung wird die Nase dieser sogenannten Künstler immer goldener.

Was macht die Politik nun dagegen? Also, ich sehe nix!

Als Beispiel: Welche Prävention trifft die Politik, was die Gesundheit der Menschen angeht im Bezug auf das Rauchen? Richtig, es wird auf der Packung hingewiesen, dass Rauchen tödlich ist und Krebs verursachen kann. Diese Tatsache ist korrekt. Deshalb ist es auch richtig, auf den Verpackungen darauf hinzuweisen. Aber für mich ist Antisemitismus, Homophobie oder Frauenfeindlichkeit auch ein Krebsgeschwür. Und zwar ein Krebsgeschwür in der Gesellschaft. Also, warum warnt man nicht vor Songtexten? Spätestens jetzt wird die Karte „Künstlerische Freiheit“ ausgespielt. Aber ich ziehe einen Joker und sage, dass Diskriminierungen und Beleidigungen keine künstlerische Freiheit darstellen. Wenn es für diese Künstler nur Kunst ist, dann dürfte es für sie ja kein Problem sein und dies auch offen und für jeden sichtbar beim Kauf eines Songs so darzustellen.

Wie bei einer Schachtel Zigaretten. So kann beim Kauf eines Songs immer stehen: „Der Text ist nicht meine persönliche Meinung, sondern dient nur zu deiner Unterhaltung. Er hat keine persönliche oder politische Botschaft oder Aussagekraft, sondern ist nur fiktiv. Gleichzeitig verurteile ich jegliche Art von Diskriminierung.“

Und wenn ein Künstler aber mit antisemitischen, homophoben oder frauenfeindlichen Texten seine Kohle machen will, dann soll er auch dazu stehen und schreiben, dass es tatsächlich seine persönliche Meinung entspricht. Denn dann kann er sich auch persönlich dem Gesetzgeber gegenüber verantworten. Dann have fun!

Sich aber hinter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit zu verstecken, um damit viel Geld zu verdienen und gleichzeitig viele junge Menschen zu beeinflussen, halte ich deshalb für moralisch unterste Schublade.

Denn diese Rapper schaden nicht nur der Gesellschaft. Nein, sie schaden auch dem Ansehen des Deutschraps. Denn die Masse der Künstler aus dieser Szene sind hervorragende Musiker und schreiben sehr gute Texte. Sozialkritische oder gesellschaftskritische Texte finde ich nach wie vor extrem wichtig. Aber Homophobie hat nichts mit Sozialkritik zu tun und Mädchen als Schlampen zu bezeichnen ist auch keine Gesellschaftskritik.

Da möchte ich an euch persönlich was loswerden.

Liebe sogenannte Gangsterrapper: Ihr schadet damit nicht nur dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft, sondern auch eurer eigenen Musik. Aber wenn es euer Ziel war, den Deutschrap in den Dreck zu ziehen, dann habt ihr es geschafft. Und als großer Fan des Deutschraps sage ich schon mal, danke dafür!

Aber ihr seid die einzigen, die das wieder in Ordnung bringen können. Und damit meine ich nicht, mal eben das Konzentrationslager in Dachau zu besuchen. Ihr habt Einfluss auf so viele junge Menschen. Wäre schön, wenn ihr ihn auch mal positiv nutzen würdet. Für die Gesellschaft, für eine Zukunft, die vereint und nicht spaltet. Die Zukunft wird schon schwierig genug. Ihr habt die Möglichkeit, zu helfen, sie wirklich besser zu machen. Denn wenn die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht, dann müssen wir als der junge Teil unserer Gesellschaft zusammenhalten und uns selbst darum kümmern. Ganz einfach darum, weil es unsere Zukunft ist.

Junior-Bloggerin Livia (Website) aus München ist trotz ihrer jungen Jahre bereits eine alte Häsin hier. Als Erste Kolumnisten ist sie bereits seit September 2015 hier aktiv und schreibt monatlich über gesellschaftliche Dinge aus der Sicht einer modernen Jugendlichen.

Ein Kommentar

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