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Über Guacamole, Enttäuschungen und politische Haltung

kurzweil-ICH: Das Lumpenpack im Interview

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Am Freitag wird es eine herbe Enttäuschung für uns alle geben – yay! Denn auf genau den Namen hört das neue Album (Partnerlink) vom großartigen Musik-mit-lustigen-Texten-Duo „Das Lumpenpack„. Ihr wisst schon, die beiden, die ich euch 2017 wärmstens ans Herz gelegt hatte und die jüngst über „Kurze Hosen“ gesungen haben.

Im Interview spreche ich mit Max Kennel und Jonas Meyer, wie die einzelnen Lumpen namentlich im Bürgeramt registriert sind, über Enttäuschungspotenziale, den schweren Weg raus aus der lustigen Poetry Slam-Szene hinein ins ernste Musikbusiness und politische Zeiten. Ach ja, und natürlich Guacamole…

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Interview: Das Lumpenpack

Maik: Wann habt ihr das letzte Mal Guacamole gegessen?

Das Lumpenpack: Schwieriges Thema. Obwohl wir beide tatsächlich nicht die größten Avocado-Fans sind, kommt man heutzutage nicht mehr drum rum. Also vermutlich als wir zuletzt in einem hippen Burgerladen essen waren.

Freitag erscheint euer neues Album „Eine herbe Enttäuschung“ – Gratulation dazu! Soll der Titel bewusst die Erwartungen der Hörer runterschrauben, damit letztlich doch alle zufrieden oder gar positiv überrascht sind?

Danke, wir sind auch schon ganz aufgeregt.

Der Titel hat für uns zwei Stoßrichtungen: Zum einen wird man als Rezipient gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. Man kann es nicht direkt grundsätzlich ablehnen, da man damit ja die Titelprämisse unterstützen und uns zustimmen würde. Quasi eine Zwickmühle.

Zum anderen aber funktioniert der Witz des Titels natürlich nur, wenn „Eine herbe Enttäuschung“ ein richtig gutes Album wird. Nur dann ist Fallhöhe da. Darum mussten wir uns – als der Titel weit vor der Fertigstellung der Songs feststand – besonders anstrengen, ein gutes Album zu kreieren.

Wovon wart ihr zuletzt so richtig herbe enttäuscht?

Max von der letzten „Game of Thrones“-Staffel, und Jonas von Max, der ihm aus lauter Frust darüber zu viel davon erzählt hat.

Ihr schreibt im Pressetext von der „passiv-aggressive Wut des Millenials“ und der allerorts zu spürenden Enttäuschungshaltung. Ich spreche (un)gerne immer von der #Echauffiergesellschaft, die ihrer stetigen Enttäuschung möglichst immer und direkt Raum geben möchte. Leben wir in einer gefährlichen Zeit, wo Chef-Enttäuschte und -Enttäuschende gar Länder leiten?

Enttäuschung entsteht aus unerfüllten Erwartungen und dort liegt viel eher das Grundproblem, glauben wir. Wir führen keine Debatte mehr darüber, was man erwarten kann und sollte, womit man eigentlich zufrieden sein müsste. Und natürlich ist es schwieriger, realistisch bei den Erwartungen zu bleiben, wenn man im Internet nur geile Urlaubs-, Essens- und Partyfotos von den anderen sieht. Da denkt man sich selbstverständlich ganz flott, dass das eigene Dasein enttäuschend ist. Und das endet leider nicht auf Instagram, sondern zieht sich durch unsere Gesellschaft, bis leider auch ganz nach oben.

„Es gibt so viele Idioten auf der Welt, mein Hass reicht nicht aus“ heißt es im Track „Mein Hass“ und auch in anderen Tracks gibt es neben der gewohnten Gesellschafts-Beobachtungen auch ordentlich Kritik und Anti-Nazi-Stellung. Ist das Lumpenpack politischer denn je?

Naja, wir sind 30 und 27 Jahre alt, wir haben zu unseren (bewussten) Lebzeiten keine politischeren Zeiten erlebt, als die jetzigen. Wir wären auch gerne unpolitischer, aber das kann und darf man sich aktuell nicht erlauben.

„Mitsingen, Tanzen, Klatschen, Bier – alles da!“

Allgemein wirkt „Eine herbe Enttäuschung“ musikalisch komplexer und ausgereifter als die Vorgänger. Habt ihr diese Entwicklung von Vornherein angepeilt gehabt?

Ha, die Beobachtung freut uns, weil wir sie tatsächlich beabsichtigen. Wir wollten das im Grunde schon immer – mehr Musikalität, nicht mehr die krasse Text- und Wortdichte, aber unsere ersten Alben haben wir ja quasi in der Garage aufgenommen und hatten gar nicht das Budget und die Möglichkeiten, die Sachen so zu instrumentieren und zu arrangieren, wie es uns vorschwebte. Zum Glück haben wir jetzt mit Roof Music ein Label und Management, dass uns diese Ressourcen und Freiheiten zur Verfügung stellt, und wir können mehr und mehr das machen, was wir wirklich wollen.

2017 hatte ich euch noch im „Tipi am Kanzleramt“ in Berlin live gesehen. Sitzend und eher in Kabarett-Atmosphäre. Im November geht es in das eher als richtige Konzert-Location bekannte „Astra“, allgemein sieht das Tour-Programm deutlich „musikalischer“ aus. Ist der Wandel aus der Poetry Slam-Szene hinein in den Musik-Kosmos jetzt abgeschlossen?

Leider noch nicht komplett. Wir sind nach wie vor auf dem Weg, der wirklich schwieriger ist, als wir vielleicht anfangs dachten, aber wir sind vorangekommen. Das Ziel war schon immer, als Band wahrgenommen zu werden, aber für viele (vor allem leider für Festivalbooker) sind wir nach wie vor noch Comedians, die eben Lieder spielen, und nicht eine Band, die noch dazu lustig ist. Da arbeiten wir aber weiter dran, es ist auch hauptsächlich ein Problem in der Außenwahrnehmung, die Shows selbst sind handelsübliche Konzerte, da bekommt man alles, was man bei anderen Bands auch kriegt – Mitsingen, Tanzen, Klatschen, Bier – alles da!

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Ihr traut euch auch in diverse Sub-Genres– wie viel Spaß hat z.B. die Arbeit am Trap-inspirierten Track „Professorenrap“ gemacht?

Diese Ausflüge offenbaren ganz schnell, dass es von außen viel leichter aussieht, als es tatsächlich ist, diese Form von Musik zu machen. Wir wollen das ja parodieren, aber merken dann ganz schnell, dass wir in so eine „alter Kabarettist macht HipHop-Parodie“-Richtung abdriften. Es ist letztlich eine Gratwanderung, die uns, unserer Meinung nach, noch gelingt, aber je älter wir werden, desto schwieriger wird das.

Habt ihr Angst, bei der musikalischeren Ausrichtung alteingesessene Lyrik-Fans zu verlieren, vor allem, wenn die Ausrichtung einzelner Songs so unterschiedlich ausfallen und nach Akustik-Gitarre ein Hip Hop-Beat ertönt?

Es tut natürlich immer kurz weh, wenn uns jemand schreibt, dass er uns früher besser fand und mit dem aktuellen Zeug nichts mehr anfangen kann, aber das ist nun mal die Entwicklung, die wir durchmachen, und diesen Weg wählen wir ja bewusst. Zum Glück sind das noch recht wenige Leute, bzw. weniger als die, die neu dazukommen.

„Wieso kommen die denn? Die kennen die Witze doch schon.“

Sollen die Leute eigentlich lieber direkt zu euren Shows gehen, ohne die Musik vorab gehört zu haben? Dann wirken die erstmalig gehörten Texte doch noch besser, oder nicht (und CDs kann man sich ja dann beim Merch-Stand holen…)?

Gute Frage. Es funktioniert auf beiden Wegen. Früher war es deutlich schwieriger für uns, wenn Leute da waren, die die Songs bereits kannten, wir haben dann gedacht – wieso kommen die denn? Die kennen die Witze doch schon. Heute freuen wir uns eigentlich mehr, wenn die Leute die Sachen schon kennen, mitsingen, mitfeiern, generell mehr das Konzert genießen und nicht darauf achten müssen jedes Wort zu verstehen. Hauptsache ist, die Leute kommen zu den Shows, die machen nämlich entschieden mehr Spaß mit Publikum als ohne.

Im Frühjahr geht es wieder auf Tour – aller Voraussicht nach mit LangweileDich.net als Mit-Präsentator – eine herbe Enttäuschung, richtig?

Die herbste Enttäuschung für Leute, die sich gerne langweilen.

Allgemein könnt ihr mittlerweile komplett von Auftritten und Plattenverkäufen leben – diese Entwicklung dürfte alles andere als enttäuschend gewesen sein, oder hattet ihr 2012 bei Gründen des Lumpenpacks damit gerechnet?

Nein, absolut nicht. Ich glaube, es wäre auch vermessen, am Anfang von so einem Projekt damit zu rechnen. Wir sind da aus Spaß reingeschlittert. Haben ein Lied geschrieben, es Leuten vorgespielt, das fanden sie gut, dann haben wir eins geschrieben, das fanden sie mittel, und dann haben wir weitergemacht. Dass wir jetzt davon leben können ist ein fantastischer Glücksfall, für den wir sehr, sehr dankbar sind.

Gab es im Rahmen eurer Laufbahn mal konkrete Probleme mit Text(passag)en, die ihr daraufhin anpassen musstet, oder die gar nicht erst das Licht der Öffentlichkeit erreicht haben?

Wir passen hin und wieder Sachen an, die für uns nicht mehr funktionieren, und es gibt auch Stücke, die wir nicht mehr spielen, weil sie nicht mehr wirklich mit uns vereinbar sind. Generell sind wir uns selbst ein ganz gutes Korrektiv. Zusätzlich bekommen wir glücklicherweise auch guten Input aus unserem Umfeld. Die Vergangenheit in der Poetry-Slam-Szene hilft uns da regelmäßig, da sind wir nach wie vor mit Leuten vernetzt, die einen sehr kritischen Blick auf aktuelle Diskurse pflegen und die uns schnell mal feedbacken können, wenn ihrer Meinung nach etwas ein bisschen über die Stränge schlägt.

Immer meine letzte Frage: Was macht ihr eigentlich, wenn euch langweilig ist?

Wir sind fantastische Kneipensportler: Kicker, Darts, Billard. Unsere absolute Königsdisziplin ist aber Tischtennis. Gib uns ’ne Platte, ’nen Ball und zwei Kellen und wir sind Stunden beschäftigt.

Danke für das Interview.

Das Lumpenpack live auf Tour 2019

Ob nun in Kabarett-Buden, Konzert-Locations oder am Currywurst-Stand umme Ecke – wenn ihr die Gelegenheit haben solltet, „Das Lumpenpack“ live erleben zu können, TUT ES! Hier die super-aktuellen Tourdaten der beiden (stets aktuell gehaltene Übersichten gibt es auf DasLumpenpack.de):

07.08.2019 Köln, KonzertKahn (Release-Konzert)
08.08.2019 Tübingen, Sudhaus-Openair 09.08.2019 Konstanz, Stadtgartenfest
10.08.2019 Eschwege, Open Flair Festival
15.08.2019 Dornstadt, Obstwiesenfestival
25.08.2019 Detmold, Waldbühne am Hermannsdenkmal
03.11.2019 Münster, SkatersPalace
04.11.2019 Solingen, Cobra
06.11.2019 Bochum, Zeche
07.11.2019 Krefeld, KuFa
08.11.2019 Kassel, 130bpm
10.11.2019 Bremen, Modernes
11.11.2019 Kiel, Max
12.11.2019 Hamburg, Docks
13.11.2019 Hannover, Faust
14.11.2019 Berlin, Astra
15.11.2019 Dresden, Beatpol
16.11.2019 Erfurt, HsD
19.11.2019 München, Backstage
20.11.2019 Würzburg, Posthalle
21.11.2019 Konstanz, Kulturladen
22.11.2019 Konstanz, Kulturladen
25.11.2019 Stuttgart– Wizemann
26.11.2019 Darmstadt, Centralstation
27.11.2019 Karlsruhe, Tollhaus
29.11.2019 Mannheim, Alte Feuerwache
30.11.2019 Fulda, Kreuz
01.12.2019 Ulm, Roxy

UPDATE: Ich habe übrigens die Ehre, die 2020er Tour von „Das Lumpenpack“ zu präsentieren! Das freut mich sehr und sollte euch auch freuen, da das ja schlicht bedeutet, dass die beiden auch im kommenden Jahr die deutschen Bühnen rocken und tausende Leute beglücken werden. Also, rein musikalisch, versteht sich. Und vermutlich mit Konfetti. Viel Konfetti.

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Das Lumpenpack – „Eine herbe Enttäuschung“ Album-Tracklist

1. Hauch mich mal an
2. Kurze Hosen
3. 7 von 10
4. Ford Fiesta
5. Mein Hass
6. Syltaufkleber
7. Professorenrap
8. Pferde stehlen
9. Pädagogen
10. Ironischer Lovesong
11. Angelsimulation 2K10
12. Mark
13. Tanzende Mütter
14. Tragödie vom Rest der Band

Mehr zum lustigen Musik-Duo „Das Lumpenpack“ findet ihr natürlich auch auf Facebook, Instagram, YouTube sowie Spotify.

Konzertbild: Marvin Ruppert.

3 Kommentare

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