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Moderne Kunst in historischem Gebäude

Berlin-Tipp: Sammlung Boros im Kunstbunker

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Am Wochenende war ich Berlin und habe die „Sammlung Boros“ (oder auch: „Boros Collection“) gesehen. Unweit des Friedrichstadt-Palasts ergibt sich einem eine einzigartige Mischung aus historischer Architektur und moderner Kunstkultur. Das Kunstsammlungs-Paar Karen und Christian Boros haben „einfach mal“ einen Weltkriegsbunker zum Privatmuseum gemacht, wobei so gar nichts daran wirklich einfach gewesen zu sein scheint. Im Gegenteil: Man sei „blauäugig genug“ gewesen, das ambitionierte Unterfangen anzugehen. Die Museums-Führung hat mir sehr gefallen, weshalb ich sie euch mit diesem kleinen Vorstellungsbeitrag gerne ans Herz legen möchte.

Oben im Bild zu sehen ist übrigens das Stück „Rona’s Revenge“ (2020) der schwedischen Künstlerin Anna Uddenberg. Ein Kunstwerk, das zwar nicht unbedingt visuell-ästhetisch daher kommt, aber die darin verarbeitete Gesellschaftskritik derart prägnant übermittelt, dass die Skulptur emotionale Reaktionen bei den Betrachtenden auslöst.

Geschichte des Berliner Kunstbunkers

Mein persönlicher Star der Führung war keines der ausgestellten Kunstwerke, sondern der Ausstellungbau. Bunker sollte es eigentlich gar nicht geben müssen und natürlich gibt es schöner designte Architektur als etliche Tonnen Beton, die auf möglichst klobige Art und Weise in eine Kastenform gegossen worden sind. Aber die Geschichte und vor allem Wandlung des Gebäudes ist unheimlich interessant.

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Im Jahr 1943 wurde der Reichsbahnbunker Friedrichstraße im Auftrag der Nazis von Zwangsarbeitenden in Rekordtempo erbaut – und doch ließ man sich es nicht nehmen, inmitten des Krieges sicher zu stellen, dass etliche dekorative Elemente in den als fortbestehender Prunkbau angedachten Bau gesteckt werden. Glücklicherweise verlor man den Krieg, so dass der Bunker zu DDR-Zeiten als Lager diente – unter anderem für Südfrüchte aus Kuba. Dass da heimlich Bananen durch in die Rückseite geschlagene Löcher (heute die einzigen Punkte mit Handyempfang im Bau!) geschmuggelt wurden, war der Bevölkerung klar, die das Objekt kurzerhand als „Bananenbunker“ bezeichnete.

Anfang der Neunziger wurde der Club besetzt und zum Techno-Club (Name: „Bunker“). Das auch durch die fehlende Lüftungsanlage feuchtfröhliche Spektakel hatte nach einigen Razzias ein Ende. Nachdem zwischenzeitlich ein japanisches Bauunternehmen das Gebäude vom Bund erwarb, jedoch schnell feststellen musste, dass ein Umbau in ein funktionierendes Bürogebäude nahezu unmöglich war, hat der Wuppertaler Kunstsammler Christian Boros zugeschlagen. Von 2003 bis 2007 wurde das Gebäude umgebaut. So treffen die größtenteils historisch belassenen alten Betonwände und Treppenhäuser auf moderne Elemente wie Glastüren. Alleine diese Kombination hat schon was!

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Cyprien Gaillard, Lesser Koa Moorhen, 2013

Das Gebäude selbst steht auch unter Denkmalschutz, weshalb vieles belassen werden muss. Allerdings hat man sich eines kleinen Tricks bedient. Das Ehepaar hat ein Penthouse auf den Bunker gesetzt, in dem es selbst lebt. Dadurch ist das Gebäude zum Privatgebäude geworden und alle überirdischen Stockwerke unter dem Penthouse gelten deutscher Bürokratielogik folgend nun als Kellergeschosse. Was für eine irre Taktik! Für denkmalgeschützte Keller gelten nicht ganz so strenge Richtlinien, so dass genug Freiheit gegeben war, um das Objekt zum Museum umzubauen. Eine Besichtigung in diesem Privatobjekt ist so allerdings ausschließlich als Führung möglich.

Die Boros Collection

Alle vier bis fünf Jahre wird die Ausstellung erneuert. Dabei stellt der jeweils zu sehende Ausschnitt aus der deutlich größeren Kunstsammlung jeweils dar, welche Stücke die Boros in den vergangenen Jahren erworben haben. Entsprechend gibt es größtenteils moderne Stücke zu sehen, die in der Regel maximal fünf Jahre vor Ausstellungs-Eröffnung ihre Erstausstellung hatten. Aktuell und noch bis ins Jahr 2026 hinein kann man die vierte Auswahl der Boros Collection anschauen, in der unter anderem Werke von Julius von Bismarck, Louis Fratino, Anne Imhof, Ximena Garrido-Lecca oder Jean-Marie Appriou zu sehen gibt.

Mir gefällt, wie abwechslungsreich die zu sehenden Arbeiten sind, sowohl inhaltlich, als auch in der Darstellungsform. Neben Gemälden und Statuen gibt es auch dynamische Installationen oder die Überbleibsel von Kunst-Performances zu sehen. Hier kann dann die zumindest bei unserer Gruppe sehr kompetent und unterhaltsam gestaltete Führung punkten, denn leider gibt es weder Videos von den zugrundeliegenden Performances zu sehen, noch sind alle dynamischen Installationen stets aktiviert, da dem Zerfall der Material vorgebeugt werden soll. Letzteres ist verständlich, aber auch etwas schade. Genau wie die Tatsache, dass Fotografien verboten sind, aber das ist dann vielleicht so ein „What happens in the bunker, stays in the bunker“-Ding, wie es auch das Berghain gelebt hatte.

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Bunny Rogers

Insgesamt bekommt man aber einen sehr positiven Eindruck davon, mit welcher Passion das Boros-Ehepaar nicht nur Kunst sammelt und so auch viele lokale Künstler:innen Berlins unterstützt, sondern diese Kunst auch mit der Welt teilen und präsentieren möchte. Den Werken wird Raum gelassen, statt möglichst viel an wenige Wände zu klatschen. Interessant fand ich in diesem Zuge, dass die Kunstschaffenden selbst vor jeder neuen Kollektion aussuchen dürfen, in welchem Raum und in welcher Art ihre Stücke gezeigt werden sollen.

Die 2017 bis 2021 zugängliche dritte Ausstellung wurde von 220.000 Menschen in 16.000 Führungen besucht. Wenn ihr selbst Lust bekommen habt, die „Sammlung Boros“ zu besuchen, so könnt ihr eine Führung online buchen. Mehrmals täglich gibt es sowohl englische als auch deutsche Führungen. Ein Ticket kostet 18 Euro, ermäßigt („für Studierende, Arbeitssuchende und Inhaber_innen eines Schwerbehindertenausweises und deren Begleitung“) zehn Euro, Kinder bis sechs Jahren können gratis rein.

Arbeiten alter Ausstellungen der Boros Collection gibt es als Bildsammelbände zu kaufen oder im Online-Archiv zu sehen.

Foto: Boros Collection, Berlin © NOSHE

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