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War früher alles besser?

Heutzutage haben wir einfach zu viel Musik

Heutzutage haben wir einfach zu viel Musik musikueberangebot

„Zu viel Musik“. Das kann es eigentlich gar nicht geben. Ich liebe Musik, höre sie täglich und viel und könnte gar nicht ohne. Und doch ertappe ich mich immer wieder bei diesem Gedanken, ob die moderne Luxus-Situation, in der wir leben, mit all der Musik, die aus aller Welt ihren Weg zu uns findet, nicht eigentlich ein Ballast ist. War die beschränkte Sicht auf eine kleinere Musikwelt früher gar der Segen? Da ist es wieder, dieses „Früher“. Nur verklärte Nostalgiegedanken in einer mimimi-tisierten Welt von Heute? Oder tatsächlich ein Stück moderne Schieflage, die sich durch etliche Popkultur-Ebenen zieht und auch aufs ganz Große der Gesellschaft zu abstrahieren ist?

(Bereits jetzt bitte ich um Entschuldigung für einen krankheits- wie zeitbedingt in Gedanken verlorenen und umherspringenden Text.)

Moderne Musik(er)-Möglichkeiten

Versteht mich nicht falsch, ich mag die modernen Möglichkeiten. Nicht nur bieten YouTube, Soundcloud und Co. modernen Musikern und denen, die es werden wollen, Plattformen und Wege, nein, auch wir Konsumenten erhalten so Zugriff auf Musiken aus aller Welt. Dazu auch noch so günstig wie nie. Ein schier unendlicher Fluss (Stream) aus neuen Einflüssen, Acts, Songs, und, und, und. Und genau das ist mein (absolutes First World Luxus-)Problem: Zu viel.

So sehne ich manchmal die „gute alte Zeit“ zurück, in der die Grenzen der Musikwelt noch durch MTViva und dem Radio bestimmt wurden. Also nicht musikalisch, da war in den Neunzigern schon verdammt viel Mist unterwegs, aber als zuverlässiger Seher und Hörer meinte ich mich auszukennen, einen Überblick zu haben. Dazu der regelmäßige Besuch im Musikladen und ich wusste, welche Musik es „insgesamt“ gerade gibt, welche ich davon mag und welche nicht. Ein Gefühl des Überblicks und der Ordnung – und ein gemeinsamer Nenner, auf dem ich mit anderen Leuten war, was einen Austausch ermöglicht hat. Eine willkommene Begrenztheit, wenn man so will. Aber damals wollte man mehr, hat erste Internet-Optionen schätzen und lieben gelernt – ALL die Vielfalt, ALL die Möglichkeiten, ALL die Musik!

Doch irgendwann verliert man den Ansatz eines Überblicks. Und jegliche Relation. Heute haben Musikvideos eine Halbwertszeit von gefühlten Stunden, ist das neue Album von XY nichts, hört man halt eines der drölfzig anderen, die heute raus gekommen sind und notfalls weiß die Spotify-Rotation einen schon auf etwas hinzuleiten. „Hast du schon XY gehört?“ – Nein, natürlich nicht. Wer oder was ist das? Ist das der Name vom Interpreten, Song oder Album – oder gar eine neue Musikrichtung, von der ich noch nie was gehört habe? Wir alle sind zu Musik-Hipstern geworden – selbst meine Mutter kennt mittlerweile (dank klassischer Radionutzung) Lieder, die ich nicht kenne. So kann das doch nicht weitergehen!

Verliert Musik an Wert?

Natürlich ist das kein wirklich ernst gemeintes Klagen. Mehr ein kleines „Das hatte früher auch seine guten Seiten“-mimimi. Aber eine Nebenwirkung lässt mich tatsächlich Nachdenken: Musik verliert an Wert. Damit meine ich (nicht nur) tatsächliche ökonomische Werte, wie die Tatsache, dass heute zwar Jeder mit Musik Geld verdienen kann, aber kaum noch wer WIRKLICH verdienen kann, weil ein Stream im Web halt nun mal nichts einbringt. Nein, vor allem den damit verbundenen persönlichen, ja gar emotionalen Wert.

Bei mir ist das bestimmt sogar noch eine besondere(rerere) Situation. Als Blogger mit Musiksparte erhalte ich viel PR-Material, hier und da auch Downloads oder gar CDs. Für Musik zahle ich tatsächlich nur noch einige Male im Jahr, wenn ich den Künstler wirklich unterstützen will (fernab von Blogbeiträgen oder so). Oder eben für Konzerte (wo ja wirklich noch Geld für Musiker und Labels liegt und fleißig eingesammelt wird – zumindest um die Stars müssen wir uns (noch) keine Sorgen machen). Aber es sind einfach solche Massen, auf die man sich nicht einlassen kann. Ich kann neue Musik nicht so hören, wie sie es vielleicht verdient hätte. Und ja, so wird die Funktion von Gatekeepern und subjektiven Herausfischern aus dem großen Musikmeer (wie mich, harhar!) wichtiger und das ist auch irgendwie gut, dennoch verfliegt Musik heutzutage schneller. Auf dem nächsten Blog gibt es eben bereits den nächsten Sommerhit, Alexa spielt den kommenden Indie-Kracher und hast du überhaupt schon XY gehört? Nein. Solltest du aber. Und diese 6.000 Lieder auch!

Und so ist es wie bei den TV-Serien (ich sprach ja hier über die Qual der Wahl, will das Fass aber jetzt lieber doch nicht auch noch hier aufmachen…), Filmen und all den anderen Dingen, derer wir dank Globalisierung, Internet und moderner Mittel im Überfluss schwimmen: man verliert den Überblick und droht, vom wachsenden Monster der Möglichkeiten eingeschüchtert zu werden. Aber macht das doch einfach nicht. (Hier kommt der total unangebrachte Wechsel in der Schrift- und Sichtweise!) Das Tolle ist nämlich, dass NIEMAND mehr einen Überblick hat. Und am Ende lebt so nun jeder in seiner ganz eigenen Musikwelt. Und das ist ja irgendwie auch schön, solange jeder für sich den Wert der Musik bewahrt. Denn Musik ist größer als die Bands und Sängerinnen und CDs, die es in Massen oder als Einzelstücke gibt. Vielleicht nehmt ihr euch einfach zwischendurch mal eine Stunde und hört ein altes Album durch. So richtig darauf konzentriert, nicht nebenbei.

Und so ein leicht nostalgischer Blick zurück ist aber schon okay, oder…?

Foto: Edu Grande.

13 Kommentare

  1. Many.W.P. says

    Ja, das sehe ich auch so. Damals war es übersichtlicher, wir haben (wie du auch schon mal gepostet hast) jeden Freitag am Radio die B3 Top Ten aufgenommen und die ganze Woche diese Kassette abgespielt. Der Plattenladen war auf 10 qm beschränkt, die Auswahl war zwar klein aber die Qualität meiner Meinung nach wesentlich höher als heute. Und den Ferienjob damals in diesen Plattenladen werde ich niemals vergessen. Das kann man sich heute so nicht mehr vorstellen. Ok, es ist in der heutigen Zeit einfacher einen Song zu kaufen oder anzuhören. Aber gerade dass es damals alles etwas komplizierter war, machte es doch nachträglich Besonders. Ich weiß heute noch wie ich Monate lang nach der Maxi Single von Michael Cretu´s Song Samurai gesucht habe und das war 1985. Ich glaube nicht, dass in 30 Jahren noch weiß, welchen Song ich auf Amazon runtergeladen habe. So ist es halt unsere jetztige Zeit. Geht halt alles ein bisschen schneller……

  2. Sven says

    Ich gebe dir teilweise recht. Ja, der Markt, auf dem wir uns bedienen können, wird größer. Und ja, alles wird schneller.

    Aber nein, ich glaube nicht, dass das ein Problem der (Welt-)Zeit ist, sondern mehr ein Problem unserer subjektiven Wahrnehmung und (Lebens-)Zeit. Wir, in unserer persönlichen Lebenssituation und -spanne, verändern uns. Wir haben den Kopf voll mit „unseren“ alten Liedern und Erinnerungen, auf die Neues nur noch bedingt aufgepfropft werden kann. Mir fällt spontan die Zeile der Toten Hosen ein „… du bist zu alt für Popmusik…“. Genauso fühle ich es.

    Die Intensität, mit der Musik empfunden wird, nimmt ab. Mit jedem Jahr, mit jeder Platte, die man hört. Alles bemisst sich an den Eindrücken , die wir mit, sagen wir, 15 Jahren gehabt haben, als wir die damals angesagten Platten (was für ein Ausdruck, auch aus der Zeit gefallen) gehört haben; damals, als wir pubertierende Hormonbomben waren. NATÜRLICH waren diese Eindrücke intensiver als heute, geht ja gar nicht anders. Trotz allem sind wir damals von der Musik angefixt worden und suchen den gleichen Kick immer noch. Und wie bei allen Genussmitteln nimmt die Geschmacksexplosion im Mund (oder – wie hier – in den Ohren) jedes Mal etwas ab. Das war immer so und wird immer so bleiben. Warum wohl mögen unsere Eltern immer noch Elvis?

    Mir helfen momentan nicht die alten Alben, die ich mal wieder intensiv höre, sondern nur aktive Auszeiten, in denen ich intensiv gar keine Musik höre. Nach einer solchen Entwöhnung ist es für mich einfacher, mich Neuem zu öffnen. Und DA trittst du (und deine Kritiker-Kollegen) auf den Plan. Du sortierst für mich vor, erledigst die Drecksarbeit, dich durch Musik zu hören, die ich mir besser gar nicht erst anhöre, wg. verlorener Lebenszeit etc., um mich dann auf die Perlen hinzuweisen, die ich mir mal anhören sollte. Und DAS kann Alexa nicht. Weil sie nicht weiß, wie ich ticke. Weil sie nicht lernen kann, dass mir halt nicht alles von dieser Richtung und dieser Interpret der anderen Musikrichtung gefällt, sondern hier mal ein paar Stücke und dort mal etwas.

    Danke für deine aufopferungsvolle Tätigkeit. Und das meine ich ohne jegliche Ironie.

    • Maik says

      Da hast du sicherlich auch Recht, auch wenn ich den Musikgeschmacks-Aspekt gar nicht mal explizit meinte (hinsichtlich „wieso mag die alte Generation andere Songs?“). Dennoch ist es aber unbestreitbar, dass in den vergangenen 20 Jahren mehr Veränderung im technisch-distributionellen Bereich passiert sind, als zuvor (und die menschliche Altwerd-Komponente ähnlich sein dürfte).
      Habe ja im Text bereits geschrieben, dass das keine Grundmeckerei, sondern eher ein nostalgischer Gedanke ist. :)

  3. Sven says

    Richtig, da stimme ich mit dir überein. Aber ist Nostalgie nicht fast immer eine hormongeschängerte Erinnerung? :-) Oder kommst du (kommen wir) einfach langsam in die Midlife-Crisis? ;-)

  4. rhi says

    Ich finde nur irgendwie inmitten der ganzen Vielfalt nichts mehr, das mir so richtig gut gefällt, mich vom Hocker haut, etc.. ~2005 bin ich mit SOAD auf nu Metal gekommen, ~2009 auf DubStep-Chart-Remix-Verschnitte, ~2014 dann auf „Spaß-Metal“ (wie ich so sachen wie Russkaja, Knorkator, Korpiklaani gerne nenne). Aber wenn ich selbst bei Youtube & Co. durchschaue, finde ich kaum noch was neues, das mir wirklich gefällt. Youtube’s Suggestion-List ist verseucht mit 50% Uralt-Zeug, das ich schon 100 mal gehört habe und 49% Zeug, das ich nicht brauche – bleibt noch 1% brauchbares neues.

    Mir scheint da irgendwie das Problem darin zu liegen, dass die jetzigen Musikkanäle quasi nicht kommeziell gefiltert sind. Früher kam man nur an das Zeug, was wirklich jemand aktiv in seine begrenzte Plattform (z.B. MTV) aufgenommen hat – und allein die Sachen wurden dann international über Youtube bekannt.

  5. quack says

    ich sehe das anders, musik wird wieder zu dem werden für was es gemacht wurde… zur unterhaltung…musik wurde nicht erfunden um damit geld zu verdienen oder „etwas besseres“ als andere zu sein oder beliebt zu werden, Musik wurde gemacht um zusammen spaß zu haben, zusammen zu musizieren oder seine kreativität auszuleben. alles andere sind psychosen und geldmacherei

    • Maik says

      Aber hier geht es ja nicht wirklich um den finanziellen Aspekt, sondern um meine Situation als Hörer und Käufer. Und genau da geht es mir eben manchmal nicht so gut, wie damals, als alles irgendwie noch kompakter und überschaubarer war…

  6. Pingback: #YNTA – Spotify Music › MOBILELIFEBLOG

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  8. BVDZH says

    Hi Maik, du schreibst „Musik ist größer als die Bands und Sängerinnen und CDs, die es in Massen oder als Einzelstücke gibt“. Das ist sie mit Sicherheit nicht! Denn sie existiert nur auf Grund von uns Musikern und Bands. Vielleicht wäre da ein bischen mehr Demut angebracht als „Meinungsblogger“. Dein Blog schreibt sich schließlich auch nicht von allein, oder? Besten Gruß BVDZH

    • Maik says

      Wow, einen abstrahierenden Satz komplett aus dem Kontext nehmen und auf die Goldwaage setzen, um mir Dinge zu unterstellen, die ich so überhaupt nicht geschrieben habe, weil man sich augenscheinlich persönlich angegriffen fühlt, um dann auf persönlicher Ebene zurück zu schießen? Stark… Ich habe doch nur geschrieben, dass Musik mehr ist als ihre offenkundigen Bestandteile (ohne die sie natürlich nicht existieren kann!): ein Oberbegriff, eine Kultur, ein Gefühl – was aber in keinster Weise deren Bestandteile auf irgendeine Art und Weise denunziert haben sollte. Besten Gruß Demut-„Meinungsblogger“

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