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Neue Kolumne von Owley

Plädoyer für den Helvetismus

Plädoyer für den Helvetismus Owley-Helvetismus

„Helvetismen sind zu vermeiden.“ In grossen, roten Lettern hatte mein Deutschlehrer diesen Satz über meinen Aufsatz geschrieben. Eine strenge Ermahnung, dass ich mich gefälligst zu zügeln hatte. Denn ich neige bisweilen dazu, Helvetismen in meinen Texten unterzubringen. Mit diesem Begriff werden schweizerdeutsche Worte umschrieben, die es im Deutschen so nicht gibt, und die daher strenggenommen falsch verwendet werden. Also „strenggenommen“, was heisst, dass man das zwar nicht unbedingt sollte (wegen Duden und so), aber eigentlich schon irgendwie darf (wegen YOLO und so).

Wir Schweizer haben das Pech, dass unsere Sprache nur in gesprochener Form lebt. Es gibt kein geschriebenes Schweizerdeutsch, keine allgemeingültige Grammatik, keinen CH-Duden. Sobald wir uns schriftlich unterhalten, gehen die Charakteristiken unserer Mundart verloren. Dort greifen wir zum Deutschen und passen uns an. In alltäglichen Situationen, wie etwa für SMS und in Chats, kommunizieren die meisten Schweizer zwar schweizerdeutsch, da dieses aber keine Grammatik hat und sich unsere Sprache von Ort zu Ort stark unterscheidet, verstehen wir uns selber ab und zu nicht. Darum greifen wir für offizielle Texte dann eben zum „richtigen“ Deutsch.

Ich sage nicht, dass wir Schweizer nicht deutsch reden sollen. Im Gegenteil. Aber wenn wir schon deutsch sprechen, dann sollen wir es zumindest mit unseren wunderschönen Worten verzieren dürfen. Jawohl! Ansonsten entgehen uns (und der Welt) nämlich so wunderbare Mundart-Perlen wie „öppendie“ (manchmal) oder „gspässig“ (kurios) – oder natürlich unsere wunderbare Zwecksentfremdung von Prostituierten zur Bezeichnung von Superlativen – etwa, wenn etwas „uh huren“ schön war.

Selbst im Englischen macht man in der Schriftsprache einen Unterschied zwischen britischem („colour“) und amerikanischem Englisch („color“). Warum soll man das also nicht auch bei Deutsch und Schweizerdeutsch so handhaben?

Konsequent sind wir in Bezug auf die deutsche Sprache ohnehin nicht. Einerseits soll unser geschriebenes Deutsch so perfekt wie möglich daherkommen, und frei sein von Spuren unserer Herkunft. Doch spätestens wenn wir reden, vergessen wir uns vollkommen – dann rasseln wir noch hässlicher daher als ein rostiger Rasenmäher, sodass mancher Deutscher noch einmal nachfragen muss, was wir ihm da genau erzählt haben.

Wenn mein alter Deutschlehrer also mit dem röchelnden gesprochenen Deutsch des durchschnittlichen Schweizers keine Probleme hat, dann muss er folgerichtig auch hinnehmen, dass es Leute wie mich gibt, die den Helvetismen auch nicht abschwören, wenn er mit roten Lettern wettert.

Oder mit einer Ströfzgi droht.

Der Zürcher Künstler Owley Samter (Website) schreibt und illustriert in seiner Kolumne über die Unterschiede und Vorurteile zwischen der Schweiz und Deutschland.

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