Gedanken einer 19-Jährigen: Fridays for Future und ihre Forderungen an die neue Regierung – richtig oder weltfremd? Livia-Portrait-kolumne-2020

Ich bin jung, also bin ich „Fridays for Future“. So leicht kann man das nicht sagen. Viele aus meiner Generation stehen bedingungslos hinter der Bewegung, aber auch genauso viele beurteilen ihre Forderungen kritisch. Grundsätzlich hören sich die Kernforderungen von FFF für die ersten 100 Tage der kommenden Regierung richtig an. Den Druck, den FFF hier aufbaut, ist erst einmal nötig. Damit sich die drei Parteien zeitnah einigen und seriöse Maßnahmen beschließen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Jetzt haben wir aber schon das Zauberwort: Seriosität.

Klar, ein möglichst früher Ausstieg aus allen fossilen Energien hört sich selbstverständlich an. Diese Forderung ist schon richtig, muss dann aber auch sozial gerecht sein. Und das ist Seriosität. Denn hinter einem Ausstieg einer gesamten Industrie, stehen nun mal auch viele Menschen, die ihre Lebensgrundlage dadurch verlieren werden. Aber bei einem Ausstieg brauchen wir natürlich auch einen Einstieg. Eine Beschleunigung der Stromgewinnung durch erneuerbare Energie ist daher ja logisch. Das heißt, hier entsteht eine neue Industrie mit vielen neuen Arbeitsplätzen. Es obliegt somit der Politik, diese zwei sozialen Komponenten zusammenzuführen, also die Wende der Energiegewinnung sozial gerecht zu machen.

Beim Punkt „radikale und gerechte Mobilitätswende“ bin ich mit FFF nicht d’accord. Sie fordern einen Baustopp aller Autobahnen und Bundesstraßen, sowie einen verbindlichen Ausstieg aller Verbrennungsmotoren bis zum Jahr 2025. Grundsätzlich müssen Straßen sicher sein und dahingehend auch immer im besten Zustand. Natürlich wäre ein Umstieg auf die Bahn erstmal umweltfreundlicher, aber erstens müssten die Bahnstrecken dafür umfangreicher ausgebaut werden und zweitens kann man keinem Menschen vorschreiben, wie er sich fortzubewegen hat. Das finde ich als Forderung sehr schwierig.

Einen Ausstieg aus Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren halte ich sogar für eher weltfremd. Denn was ist am Verbrenner wirklich das Problem. Der Verbrennungsmotor oder der Kraftstoff? Fakt ist, der Kraftstoff aus dem Rohstoff Erdöl ist das Problem. Die Kraftstoffe Benzin und Diesel oder Kerosin bei Flugzeugen stoßen nun mal CO2 und andere Luftschadstoffe, wie Stickstoffoxid oder Feinstaub aus. Der Verbrennungsmotor kann so gesehen allein nichts dafür. Wir brauchen daher einen Umstieg auf Kraftstoff, der eben kein CO2 oder andere Schadstoffe ausstößt. Und das gäbe es schon. Nämlich mit Wasserstoff und den synthetischen Kraftstoff, auch E-Fuels genannt. Diese CO2-neutralen Kraftstoffe hätte man schon vor 10 oder 20 Jahren erforschen und herstellen können. Ich möchte hierzu nur mal anmerken, dass die 1. Weltklimakonferenz im Jahr 1979 war und die Tagesschau damals schon darüber berichtet hat. Hier wurde schon angemahnt, dass durch den CO2-Ausstoss bis zum Jahr 2050 die Temperatur um 2–3 Grad ansteigen wird. Da kann keiner sagen, er hat es nicht gewusst. Ich frage mich immer wieder, warum der synthetische Kraftstoff nicht der Kraftstoff der Gegenwart ist, sondern erst der Zukunft. Und wenn ich mich das frage, wird mir immer wieder bewusst, wie groß der Einfluss der „Ölindustrie-Lobby“ in unserer Politik sein muss.

Wie auch immer, tatsächlich ist nicht der Verbrennungsmotor das Problem, sondern der Kraftstoff. Somit ist für mich eine Abschaffung von Verbrennungsmotoren Quatsch. Wenn also jedes Auto mit Verbrennungsmotor oder Flugzeuge schadstofffrei fahren bzw. fliegen können, dann wäre es glaube ich eine gute Idee, dies endlich auch umzusetzen. Denn bei einem kompletten Umstieg auf Elektromobilität sehe ich wieder eine große soziale Ungerechtigkeit. Nicht jeder kann sich ein Elektroauto leisten. Somit ist die Klimapolitik auch sehr eng mit der Sozialpolitik verwoben. Und bei aller Sympathie für FFF, dieser Faktor kommt da leider viel zu kurz. Eine funktionierende Klimapolitik wird man nur gemeinsam mit der gesamten Bevölkerung schaffen. Deswegen finde ich es schwierig, von der Politik nur zu fordern. Denn der soziale Aspekt ist nun mal genauso wichtig. Und das ist eben der Spagat, den die Politik hier vorturnen muss. Aber eben der einzig seriöse Weg.

Und da ist mir Seriosität ehrlich gesagt wichtiger als irgendwelche Schnellschüsse. Und zu Seriosität zähle ich aber auch die außenpolitische Arbeit der Politik. Denn wenn ich mir als Beispiel das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur (Mercardo Comun del Sur, übersetzt: “Gemeinsamer Markt Südamerikas”), mit den Staaten wie Argentinien, Brasilien, Paraguay oder Uruguay ansehe, dann hat nicht nur FFF, sondern dann habe auch ich große Bedenken dabei. Als EU und somit auch als Deutschland dürfen wir keine Geschäfte wie mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro machen, der für die fatale Zerstörung des Regenwaldes verantwortlich ist.

Wir als Deutschland und EU müssten eigentlich dafür sorgen, dass die Regenwälder geschützt werden. Dass die Meere nicht in Plastikmüll ersticken. Das gehört genauso zur Klimapolitik. Die Regenwälder und die Weltmeere sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass sie das CO2 aus der Luft filtern und Sauerstoff herstellen. Diese Gebiete zu zerstören oder einfach nur dabei zuzusehen und nichts dagegen zu unternehmen, empfinde ich einfach als eine ganz schlechte Idee. Und hier kann Deutschland eben auch international etwas bewirken. Wenn man keine Geschäfte mit Brasilien oder anderen Ländern macht, die bewusst das Klima nicht schützen. Ich finde das wäre auch ein internationales Statement.

Kommen wir zum Anfang zurück: Seriosität ist für mich also das Zauberwort. Zugegeben, die Aufgabe ist riesig und wahnsinnig kompliziert. Daher sehe ich FFF und ihre Forderungen natürlich als wichtig, dass sie den Finger immer wieder in die Wunde legen und Druck aufbauen, aber mehr auch nicht. Ich würde mir auch von FFF wünschen, dass sie die Verantwortung nicht ausschließlich der Politik zuschieben, sondern auch zeigen, dass jeder einzelne eine Verantwortung hat und dafür auch jeden einzelnen motiviert. Jeder kann etwas für ein besseres Klima machen. Das fängt an mit seinem Kaufverhalten und hört auf mit der Partei, die man wählt.

Junior-Bloggerin Livia (Website) aus München ist trotz ihrer jungen Jahre bereits eine alte Häsin hier. Als Erste Kolumnisten ist sie bereits seit September 2015 hier aktiv und schreibt monatlich über gesellschaftliche Dinge aus der Sicht einer modernen Jugendlichen.
Beitrag von: Livia Montag, 15. November 2021, 15:00 Uhr

9 Kommentare

  1. Retho says

    Aha, einerseits wird beklagt, dass es nicht so schnell gehen kann, andererseits wird „grüner Sprit“ favorisiert, den es so noch nicht gibt und den herzustellen wesentlich mehr Energie benötigt wird, als Ladungen für Elektrofahrzeuge. Ein wenig hätte sich die Dame auch informieren sollen.

    • Bitte genau lesen. Der „grüne Sprit“ ist nichts neues. Die Erforschung und Herstellung hätte schon längst ein anderes Niveau haben können und müssen. Warum ist das wohl nicht? Übrigens, wir hätten schon viel früher „grünen Strom“ herstellen können und müssen. Warum gibt es wohl immer noch die Kohlekraftwerke? Ich empfehle: Informieren und nicht irgendwas behaupten. Es gibt schon genug Fake!

    • Mark says

      Wenn ich etwas nicht mag, dann sind das Kommentare die von vorne bis hinten falsch sind. Wer bitte beklagt, dass irgendwas nicht schnell genug gehen kann? „Grüner Sprit“ ist schon lange bekannt, wurde aber von der Politik nie favorisiert. Das hat nun mal Gründe. Die Technik wäre schon viel weiter, wenn die Forschung genügend unterstützt worden wäre. Ist sie aber nicht. Auch Strom aus erneuerbaren Energien könnte schon längst bei 100 % liegen. Auch hier gab es in der Politik keine Priorisierung. Die junge Dame hat das schon sehr richtig erkannt, dass das Gründe hat. Ich sehe hier keinen Fehler. Doch nur einen. Diesen ahnungslosen Kommentar von Retho.

  2. Rumold says

    Eine Frage: Hast du für deine Aussage, dass „genauso viele“ aus deiner Generation die Forderungen der „Fridays for Future“-Bewegung kritisch sehen, wie bedingungslos hinter diesen Forderungen stehen überprüfbare Belege?
    Ansonsten wäre die Aussage, meiner Ansicht nach, erkennbar als deine persönliche Vermutung zu kennzeichnen…
    Oder sehe ich das falsch?

    • Kurt says

      Die Frage finde ich witzig. Wie soll man Belegen ob genau 50 % einer Generation, welcher Meinung sind? Bei so einem Kommentar zweifle ich wieder an unserem Bildungssystem. Es geht doch nicht jeder Schüler/in mit FFF auf die Straße, oder? Und dann sollte man sich auch das Wahlverhalten der jungen Generation ansehen. Die FDP und die Grünen hatten die meisten Anteile unter den Erstwählern. Ebenso haben beide Parteien etwa auch die gleichen Stimmenanteile. So viel dazu. Verstanden, bis dahin? Natürlich ist es also nicht belegbar. Aber mit einem gesunden Menschenverstand gesehen, absolut realistisch. Übrigens ist das hier eine Kolumne. Und eine Kolumne ist kein politischer Artikel. Es geht bei einer Kolumne immer um die persönliche Meinung oder um eine persönliche Einschätzung eines Themas. So gesehen, ist die Frage von Rumold nicht falsch. Nur sinnlos!

    • Rumold says

      Besten Dank, Kurt, für deinen Einwand, den ich allerdings auf Grund seiner Arroganz und Subjektivität eher als Unterhaltung, denn als Information einordne. Nur so viel, auch in einer Kolumne sollte Fakten und Meinungen deutlich voneinander getrennt werden, ansonsten ist es bloß ein langer „Twitter“-Kommentar…und die sind, ausgehend von der Selbstherrlichkeit in deiner Wortwahl dann wohl eher deine bevorzugte Spielwiese, nicht wahr? ;)

    • Rumold says

      Hier noch ein kleines P.S., weil du einfach zu gut als Exempel für den „Zeitgeist in der modernen Kommunikation“ herhalten kannst. ;)

      Gehen „wir“ deine Argumente doch mal durch:

      1. „Wie soll man Belegen ob genau 50 % einer Generation, welcher Meinung sind?“

      Die Behauptung es seien „genau so viele“ stammt von der Autorin. Dass du also bereits mit deinem zweiten Satz die Legitimität meiner Frage nach den Prämissen, die sie zu diesem Schluss führt, bestätigst, fällt dir nicht mal auf.

      2. „Es geht doch nicht jeder Schüler/in mit FFF auf die Straße, oder?“

      Nein. Aber macht das den Schluss zulässig, dass sie deshalb deren Forderungen kritisch gegenüber stehen? Etwas nicht zu tun, ist nicht automatisch als Protest zu bewerten. Das wäre ansonsten eine unbewiesene Unterstellung von Motiven.

      3. „Die FDP und die Grünen hatten die meisten Anteile unter den Erstwählern. Ebenso haben beide Parteien etwa auch die gleichen Stimmenanteile. So viel dazu.“

      So viel wozu? Gibt es jetzt also doch Belege, die eine Aussage über die Meinung der jungen Menschen erlauben? Entscheide dich doch bitte mal.
      Und welchen Schluss willst du aus dieser Feststellung jetzt ziehen? Dass die Erstwähler, die die FDP gewählt haben, deshalb automatisch die Forderungen von FFF kritisch betrachten?
      Wenn ich Kaffee lieber als Tee trinke, macht mich das zum Tee-Kritiker? Das wäre dann doch eine ziemlich eindimensionale Schlussfolgerung, oder nicht?

      4. „Aber mit einem gesunden Menschenverstand gesehen, absolut realistisch.“

      Dass der gesunde Menschenverstand eine gefährliche Illusion ist, wurde längst empirisch nachgewiesen. Intuitives Denken ist von Fehlschlüssen, kognitiven Verzerrungen, und individuellen/kulturellen Erfahrungen geprägt, und liefert keine verlässlicheren Ergebnisse als analytisches Denken auf der Grundlage wissenschaftlicher Methodik.

      5. „Und eine Kolumne ist kein politischer Artikel.“

      Hier eine kleine Übung in logischen Schlussfolgerungen für dich:
      1. Prämisse: Ein „politischer Artikel“ ist ein inhaltlich in sich abgeschlossener Text zu einem politischen Thema.
      2. Prämisse: Diese Kolumne ist ein inhaltlich in sich abgeschlossener Text zu einem politischen Thema.
      Konklusion: Diese Kolumne ist ein „politischer Artikel.“

      6. „So gesehen, ist die Frage von Rumold nicht falsch. Nur sinnlos!“

      Für dich sinnlos. Wie du den Dingen, die in der Welt um dich herum geschehen, einen Sinn zuschreibst, hast du ja nun recht anschaulich BELEGT! ;)

    • Kurt says

      Ja, danke! Jetzt bin ich viel schlauer! Gott sei Dank, gibt es Menschen die immer alles besser wissen. Es nützt einfach nichts. Du gehörst leider zu diesen Menschen, die in ihrer eigenen „querulantischen“ Blase leben. Was vollkommen ok ist. Wir leben ja in einer Demokratie. Aber jetzt muss ich wieder zurück. In die Realität! Viel spaß noch, ha ha ha…..

    • Rumold says

      Wer dir widerspricht, ist also ein Querulant und lebt in einer Blase?
      Nun, mit gesundem Selbstbewusstsein hat das wohl kaum mehr etwas zu tun, oder?
      Was deinen Ansprüchen genügt, damit du es für die Realität hältst, soll offenbar auch allen anderen genügen. Wer braucht schon Beweise, wenn er eine vermeintlich „profunde“ Meinung hat?
      „My opinion is my castle!“
      Und weil, deiner Meinung nach, alle anderen so viel weniger Durchblick haben als du, ist es in deinen Augen auch vollkommen legitim auf sie herab zu schauen, und beleidigend zu werden ohne provoziert worden zu sein.
      Aber, wenn ich(?) es bin, der deiner Meinung nach in einer „querulantischen Blase“ lebt, dann widerlege doch einfach meine Argumente. Belege, dass du recht hast, und ich falsch liege.

      Nur funktioniert so weder dein Denken, noch deine Argumentationsstrategie, nicht wahr?
      Wenn dir jemand widerspricht, ziehst du dich auf das „Argumentum ad hominem“ zurück, wirst wieder arrogant, überheblich und versuchst dich selbst und deine Meinung zu überhöhen…

      Was du wohl überkompensierst? ;)

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