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Ich kann nichts halbgar, aber auch nichts vollends machen...

Perfektionismus vs. (effizienzorientierte) Faulheit

Perfektionismus vs. (effizienzorientierte) Faulheit gedankenspiele

Vielleicht hilft es mir oder ja sogar anderen, wenn ich ein bisschen meine aktuelle Gemütslage hier breitmache. Dafür sind Blogs doch da, oder nicht? Ich habe ein Problem: Ich bin ein rationaler Mensch. Zu rational, wie ich als rational denkender Realist (das auch noch!) erkannt habe. Und das macht sich gerade in meinem heiteren Projekte-Jonglieren bemerkbar. Hatte ich für mich und auch öffentlich (was mir in gewisser Weise eine Legitimationsgrundlage bieten sollte) erklärt, meine Prioritäten ganz klar neu auszurichten, erwische ich mich dabei, immer wieder in alte Handlungsmuster zu verfallen…

Erst-, Zweit- und Drittblog?

Nach der Qualitätsoffensive zum Zehnjährigen vergangenes Jahr hier im Blog hatte ich beschlossen, es hier fortan weniger intensiv, gewollt und gestresst angehen zu lassen. Hatte ich mir damals auch zum Selbstschutz beim Schritt in die Selbständigkeit die interne Regel aufgesetzt, pro Tag acht Beiträge hier online gehen zu lassen, hatte ich diesen Veröffentlichungsdruck nehmen wollen. Halt einfach das veröffentlichen, was so rein kommt, kein künstliches Auffüllen, kein stundenlanges Recherchieren, damit die Quote stimmt. Auch, weil ich meine freiwerdende Zeit lieber in QUIZmag investieren wollte, das deutlich mehr Aufwand pro Beitrag einfordert. seriesly AWESOME sollte eh zum Hobby-Blog umgemünzt werden, da ich dort ja im Team blogge und die Seite schlichtweg keine signifikanten finanziellen Möglichkeiten offenbaren konnte.

Das hat auch ganz gut funktioniert. Für einige Tage. So lange habe ich auch mal fünf oder elf Beiträge hier online gehen lassen, das im Kopf festgesetzte „alle ~2 Stunden“-Zeitschema aufgebrochen und halt gebloggt, wenn es passte bzw. für wann es passte. Dazu bei sAWE teils kompletter Leerlauf bis auf die Wochenreviews, denen ich mich verpflichtet fühlte und teils ordentliche Konzentration auf QUIZmag-Inhalte und -Bewerbung. Dann habe ich mich dabei erwischt, dass ich doch wieder auf die 8er-Taktung hier gekommen bin. Wieder Themen in wilder Vorarbeit für ein langes Wochenende vorplane, die bis dahin alle Netzkundigen gesehen haben dürften oder eigentlich durchs Raster gefallen wären. Und bei seriesly AWESOME hat es mich gewurmt, wenn die Seite mal fast einen kompletten Tag ohne neuen Beitrag war oder DER neue Inhalt so in der teaminternen Linkliste vor sich hin wittert und droht, seinen aktuellen Bezug zu verlieren. Also bloggte ich ihn selbst. Und war wieder im alten Schema gefangen.

Negative Eigenschaft? Perfektionismus!

Dazu bin ich einfach penibel, was Kleinigkeiten angeht. Stringenz soll vorhanden sein, ein gewisses Mindestmaß an Qualität gesichert, technische Ungereimtheiten und Fehler auf ein kaum mehr zu verhinderndes Minimum heruntergefahren werden. Das ist vor allem beim Team-Blog sAWE, wo ich nicht alles selbst in der Hand halte, eine Herausforderung für mich. Das Loslassen der Kontrolle, das „ihr macht das schon!“-Vertrauen nicht nur auszusprechen, sondern zu leben. Mit den Jahren habe ich das im Großen und Ganzen, was die Inhalte angeht, gelernt, aber im täglichen Klein-Klein kommt der Perfektionist in mir durch. Und auch hier im Blog wollte ich ja eigentlich viel mehr Kleinkost ohne wirkliche Texte bringen, da die eh niemand liest, am Ende wirkt es mir dann aber doch zu doof, wenn da nicht wenigstens 50-100 Wörter drum stehen. Und auch wenn viele die Angabe dieser Schwäche beim Bewerbungsgespräch belächeln – es kann tatsächlich eine sein. Nämlich dann, wenn man zu viel Energie und Zeit in diese Kleinigkeiten investiert, die deutlich weniger nach Außen bringen, als man sich eingestehen mag. Klar, für das perfekte Bild haben sie ihren Anteil und vielleicht hebt man sich so gar von der Konkurrenz ab, und wenn man die Zeit dafür hat, sollte man unbedingt alles fein säuberlich ausfeilen – aber die hat man nicht. Oder kann sie halt für andere, grobe, mehr bringende Dinge aufwenden.

Da wirkt es schon beinahe ironisch bis praktisch, dass ich auch eine andere Schwäche habe, die dem etwas entgegensteht.

Meine effizienzorientierte Faulheit

Seit jeher habe ich zwei innere Dränge, die auf den ersten Blick unpassend zueinander erscheinen. Zum einen möchte ich stets das Besondere leisten. Den Lösungsweg präsentieren, auf den kein anderer kommt, den einen Schritt weiter gehen, zeigen, dass ich was kann und kreative, neue Dinge erschaffen. Zum anderen schalte ich gedanklich ab, wenn es um das Herauskitzeln der letzten Prozente geht. Das war schon in Schulzeiten so. Sollten wir einen Aufsatz schreiben und ich habe beim Schreiben ein gutes Gefühl gehabt und DEN Abschlusssatz geschrieben, habe ich oftmals gar nicht mehr über den Text gelesen. Das fühlte sich halt gut an, und sind wir ehrlich, das minutenlange Suchen nach neuen Formulierungen oder Rechtschreibfehlern lohnt sich gar nicht für das, was man da verbessert. Vielleicht gibt es dann eine 1 statt einer 1-, aber das ist es mir nicht wert. Da war ich schlicht zu faul – und das bin ich noch immer.

Das soll jetzt nicht prahlerisch oder selbstverliebt daher kommen, aber oftmals ist mein erster (Ent)Wurf bei Dingen schon ganz gut. Natürlich wird es bei einer zweiten Iteration nochmals deutlich besser, aber darüber hinaus ist dann irgendwann nicht mehr die Relation zwischen Aufwand und Ertrag gegeben. 95 Prozent meiner Blogtexte (auch die Reviews auf sAWE) schreibe ich on the fly herunter. Habe ich danach ein gutes Gefühl, gehen sie direkt online – ohne nochmals drüber zu lesen. Klar, das birgt die Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern und den Pulitzer-Preis dürfte ich so auch nie gelangen, aber das passt halt irgendwie. Und ja, auch dieser Text hier ist binnen einer halben Stunde entstanden, wurde nicht gegengelesen und vermutlich habe ich am längsten bzgl. der Auswahl des Titelbildes überlegt. Und ich weiß verdammt nochmal, dass das eigentlich dumm ist und ich es anders machen möchte. Aber ich kann es einfach nicht, weil ich mir selbst Druck mache. Und das macht mich sauer.

Denn „ich habe doch keine Zeit“. Acht Beiträge hier, eine Serienfolge und das Review dazu bei sAWE, das Rätsel bei QUIZmag konzipieren und umsetzen, dazu noch freie Tage vorarbeiten, die Einkäufe erldigen, und, und, und – wie soll das alles gehen? Das frage ich mich, obwohl es eigentlich geht. Es gibt Tage, da fluppt es, ich bin produktiv und habe mittags alles geschafft – und einen Nachmittag zur Verfügung. Das müsste doch eigentlich aufgehen, um mal größere eigene Beiträge zu schreiben, eigene Inhalte zu erdenken oder schlicht und ergreifend ein zweites Mal über Texte zu lesen?`Nope.

Mein Freund, die Prokrastination

Ich merke, dass ich am meisten geschafft bekomme, wenn ich es schaffen muss. Denke ich Dienstagmorgens noch „Ach geil, ist ja erst Dienstag – ich schaffe locker dies und das und die Vorarbeit fürs Wochenende!“, ist plötzlich Freitagmorgen und meine innerliche Uhr hat es perfekt geschafft, dass ich erst dann gestresst in die Tritte komme, wenn ich es auch wirklich muss. Bis dahin „geht es ja schon irgendwie“ – wieso also nicht eine Runde das Spiel spielen, das Video schauen, und wann habe ich eigentlich das letzte Mal die Firmware der Playstation aktualisiert? Was muss, dass muss!

Das habitualisierte Öffnen von Facebook, Twitter, Mailfach und Co., obwohl man genau weiß, dass sich in den vergangenen 90 Sekunden wenig bis gar nichts dort getan haben dürfte. Nein, ich bin sicherlich nicht der Erste, der von Prokrastination befallen ist, und eigentlich bin ich auch ganz gut darin, nervige Haushaltsnotwendigkeiten als eben solche und mit meiner Missgungs und Missachtung abzustrafen. Aber irgendwie bin ich mehrere Stunden des Tages total ineffektiv. Was skurril ist, da ich ja eigentlich effizienzorientiert faul bin.

Machen!

„Ein schlaues Seepferd taucht nur so tief, wie es muss“ hat mal ein total rationaler Realist (ICH!!!) gesagt. Vermutlich stimmt das auch. Um aber ein besonders gutes Seepferd zu sein, dass verdammt viel erreicht, muss man halt auch mal gen Seeboden streben und das scheinbar Unmögliche und unfassbar aufwendig Wirkende wagen. Und vielleicht ergibt sich daraus direkt ein eigenes, neues Schema, nach dem man Tag für Tag leben kann. Nur etwas glücklicher.

Beitragsfoto: Sam Manns.

5 Kommentare

  1. P says

    Ich empfehle dir das TETA I Seminar vom Institut für angewandte Kreativität. Mir hat es in der Situation gut geholfen ;-)

    • Maik says

      Danke für den Tipp! Scheint jedoch vor allem auf Teamleitung im Unternehmen zu gehen, daher für mich als einsamen Home Officer wohl nur begrenzt nützlich. Das Schlimme ist ja eigentlich, dass ich die Lösung kenne, nur immer wieder zu umgehen weiß. ;)

    • P says

      Habe ich auch erst gedacht. Vordergründig geht es aber darum sich selbst zu führen. Und für Teamleiter halt: Nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen ;-)

    • Maik says

      Das stimmt natürlich sowieso. Kurioserweise hatte ich mit der Teamführung im Angestelltenverhältnis keine wirklichen Probleme, das ist eher hausgemachtes Rumnölen hier. ;) Aber man kann ja nie auslernen, vielleicht ergibt sich so ein Kurs ja mal.

  2. Pingback: Lesenswerte Links – Kalenderwoche 40 in 2017 - Ein Ostwestfale im Rheinland

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